Der „kleine Unterschied“

Im Zusammenleben von Angehörigen verschiedener Kulturen/Religionen/Ideologien können schon besagte kleine Unterschiede gewaltige Auswirkungen zeitigen, das ist wohl wahr. Mit der Hautfarbe wird man zwar geboren, wir haben jedoch alle dasselbe rote Blut in uns, unser gemeinsames Erscheinungsbild ist humanoid, und wir können uns untereinander fortpflanzen – beste Voraussetzungen also, um diesen Planeten miteinander zu teilen und zu bevölkern. Eigentlich. Aber es kann ja aber der Ruhigste nicht in Frieden leben, wenn es dem bösen Nachbarn nicht gefällt. Dessen Persönlichkeit mag zwar durchaus einmal von diversen Traumata sowie eigenen Erfahrungen und Erlebnissen zum Negativen hin beeinflusst worden sein, wodurch sein Charakter und sein moralischer Kompass Schaden genommen haben. Dies wäre alles noch verständlich, solange es sich im gesellschaftlich akzeptablen Rahmen bewegt und niemand anderes ernsthaft zu Schaden kommt. Schließlich sind wir alle nur Menschen. Gut gemeint ist jedoch nicht immer gut gemacht… Doch die verheerenden Auswirkungen von Indoktrination und Propaganda sind meiner Ansicht nach nicht die alleinigen Ursachen für die Exzesse im menschlichen Miteinander. Uns fehlt es auch an Visionen, an langfristigen Strategien für die Existenz späterer Generationen der menschlichen Rasse. Niemand würde sich nämlich heutzutage ernsthaft einer Aufgabe widmen, deren Ausführung Jahrzehnte, vielleicht sogar Jahrhunderte in Anspruch nähme und von deren Auswirkungen niemand mehr von den heute Lebenden profitieren könnte. Ironischerweise gab es in der TV-Episode „Platos Stepchildren“ der US-Science Fiction-Serie „Raumschiff Enterprise“ (heute besser unter Star Trek bekannt) den „ersten Filmkuss zwischen einer schwarzen Frau (Nichelle Nichols) und einem weißen Mann (William Shatner)“. Deren Schöpfer Gene Roddenberry nahm den Eine Welt-Gedanken schon in den sechziger Jahren vorweg. Roddenberry war sich der Problematiken durchaus bewusst. Doch dieses „interrassische Intermezzo“ war damals ein Skandal sondergleichen. Der institutionalisierte Rassismus und speziell der Fanatismus des Ku Klux Klan wandten sich massiv gegen diese angebliche schwarz-weiße „Rassenschande“. Die Tatsache, das die nichtmenschliche Antagonisten-Alienrasse der feindlichen Klingonen wenig subtil auf „die bösen Russen“ (ändern sich die Zeiten eigentlich überhaupt jemals?) gemünzt war, war dabei eher von untergeordneter Bedeutung und ging fast unter. Für mich auch, denn um sowas hab ich mich zu den Zeiten noch nicht gekümmert. Die Ironie am Rande, Teil 1: Noch heute diskutieren die Fans ja darüber, ob besagter Kuss zwischen „Captain Kirk“ und seiner „Kommunikationsoffizierin Leutnant Uhura“ tatsächlich stattgefunden hat oder doch nur angedeutet wurde. Für die heftigen Reaktionen darauf und die langfristigen Folgen jedenfalls war diese Frage unerheblich. Das „der kleine Unterschied“ immer noch das Potential hat, für Unruhe und Schlagzeilen zu sorgen… Da kann man schon ins Grübeln geraten und sich fragen, ob die Menschheit als solche überhaupt schon reif ist. Die Entwicklung der verschiedenen Kulturen auf dem Globus zu dem, was man globale Einheit und geeinte Menschheit nennen könnte, braucht eben leider auch ihre Zeit. In der SF gibt es dafür die Bezeichnung „Terraner“. Damit ist ein globales (bzw. interplanetares & -stellares) Volk gemeint, das seinen Ursprung auf den dritten Planeten der Sonne Sol (Terra, lateinisch für Erde) zurückführt. Diese Art von Globalisierung fällt nicht vom Himmel. Von oben herab anordnen läßt sich sowas auch nicht – es sei denn, man bestraft Abweichler von der reinen ideologisch oder religiös politisch-korrekten Lehre, indem man sie aus der menschlichen Gemeinschaft ausstößt und zu Parias erklärt. Die Farbe unserer Haut ist zwar das, was wir am wenigsten (nämlich gar nicht) ändern können, doch gleichzeitig ist sie auch der allerunwichtigste Unterschied zwischen uns allen. Ironie am Rande, Teil 2: Kleinen Kindern ist das noch alles schnurzegal, die interessieren sich weder für Hautfarbe noch für Ideologie oder Religion. Niemand wird als Rassist geboren (auch kein Weißer), man wird dazu gemacht. Ironie am Rande, Teil 3: „Weiße“ legen sich in die Sonne oder auf die Sonnenbank, um „knackig braun“ zu werden, gleichzeitig werden aber Leute, die von Natur aus keinen hellen Teint haben, diskriminiert. Willkommen in der wunderbaren Welt der Logik!

P. S.: In einer der neuen Star Trek-Serien nennen die (blauhäutigen) außerirdischen Andorianer die Menschen übrigens „Pink skins“…

Dietmar Doering

Rasse bestimmt Klasse

Ich erfahre Diskriminierung aufgrund meiner Hautfarbe. Meine Freundin nicht, weil sie weiß ist. Ist also Schwarzsein durch die Hautfarbe bestimmt?
Schwarz sein bezieht sich nicht primär auf die Hautfarbe, sondern auch auf die Familiengeschichte, Herkunft, Kultur, soziale Kategorie. Die „Rasse“ ist allgemein ein soziales Konstrukt, um bestimmte Bevölkerungen zu stigmatisieren oder auszugrenzen und sich selbst möglichst als Mitglied einer „höherstehenden, besseren Rasse“ darzustellen. Ideologisierter, gefühlsbeladener Mumpitz – der aber reale Konsequenzen hat, wie zum Beispiel, das die Ausbeutung des afrikanischen Kontinentes durch Europa legitimiert werden soll (Niger, Nigeria, Kongo, Mali oder auch Asien =Sri Lanka…). Wahlweise auch die Versklavung der „primitiven Rassen“ ,wobei hier natürlich die „weiße“ Rasse ganz selbstverständlich als gottgegeben überlegen hingestellt wird).
Nur fällt auch auf, dass das Gefühl von Grenzen in Jedem von uns steckt. Es ist völlig unabhängig davon, wo wir uns selbst zuordnen bzw. womit wir uns selbst identifizieren. An der Stelle denke ich an Rachel Dolezal, die hellhäutig ist, sich aber als Schwarzamerikanerin sieht. Dies wird von vielen Menschen nicht verstanden. Oft habe ich auch die Erfahrung machen müssen, das hellere Schwarze oft bevorzugt werden. Seitens der Schwarzen selbst und der Weißen. Die Hautnuancen spielen unter Schwarzen selbst immer noch eine große Rolle. Ich habe von Dunkelhäutigen auch schon Kommentare gehört ,auch von Weißen wie „Ich mag Braun, aber Du bist schon zu braun.“ Oder: „Mischlinge sind schon schöner.“ Männer/Frauen, deren einer Elternteil hellhäutig ist, nennt man volkstümlich so, obwohl – politisch korrekt ist diese Bezeichnung nicht mehr. Colorism ist immer noch weitläufig noch nicht so bekannt oder wird nicht als großes Problem gesehen. Vor kurzem habe ich einen Artikel im Focus gelesen, in dem es hieß, das die SPD-Abgeordnete Giorgina Kazungu mit kenianischen Wurzeln von einem Zugbegleiter in der Bahn der ersten Klasse verwiesen worden ist, obwohl sie ein passendes Ticket dafür besaß. Seitens der Bahn gab es dafür eine öffentliche Entschuldigung und eine Beschwichtigung, das es sich um ein Missverständnis gehandelt habe. Man sollte sich des Privilegs bewusst sein, dass man als weiße oder „mulattische“ Person hat.

Noomi

 

 

Der Schlüssel: Deutschland ist keine homogene Gesellschaft

Am 26.05.18 fand im Rahmen des Musikfestival „Sounds of Africa“ in der Philharmonie Essen die Abschlusskonferenz des dreijährigen Projektes „Dialog mit Afrika“ statt. Das Motto der Konferenz war: „Aufnahmegesellschaft und afrikanische Länder im Dialog. Vielfalt leben – respektieren und kooperieren.“ Oberbürgermeister Thomas Kufen hielt eine Begrüßungsrede. Hierbei wurden evaluiert, ob folgende Ziele umgesetzt werden konnten:

  • Die Förderung der Vernetzung afrikanischer Migrantenorganisationen mit dem Jugendamt
  • Die Stärkung afrikanischer Migrantenorganisationen in ihrer Arbeit
  • Der Ausbau der Vernetzung der afrikanischen Migrantenorganisationen untereinander.

Bunmi Bolaji als interkultureller Promoter des Eine-Welt-Netzes NRW hielt ebenfalls einen Vortrag zu diesem Thema. Auch sein Fazit war: Es ist wichtig, in Deutschland in vielfältiger Art und Weise zu leben, einander zu respektieren und sich gegenseitig zu tolerieren. Jeder hat seine eigene Vorstellung davon, wie er oder sie sich in der gegenwärtigen Gesellschaft positionieren möchte. Andere sich davon unterscheidende Sicht- und Lebensweisen sollten jedoch nicht unreflektiert als Gefahr angesehen, sondern eher als Herausforderung und Chance genutzt werden.

In der Podiumdiskussion, an der ich (Noomi) teilnahm, setzte man sich mit den damit zusammenhängenden Fragen auseinander. Eine davon war: Woran liegt es, dass die Begriffe Viefalt und Integration in Deutschland immer mehr an Bedeutung gewinnen? Alles begann in den Augen der Öffentlichkeit im September 2015 mit der „Flüchtlingswelle“ und der immer weiter steigenden unkontrollierten Zuwanderung, auf die Deutschland selbst nach aktuellen Äusserungen führender Politiker in keinster Weise vorbereitet war. Dadurch war die Gefahr gross, dass es zwischen den Neuankömmlingen und den Mitgliedern der bestehenden Aufnahmegesellschaft (auch denen, die selbst einen Migrationshintergrund haben) aufgrund bestehender Vorurteile, Missverständnissen und Ängsten, die aus den daraus resultierenden Spannungen und Konflikten kommen konnte. Man möchte sich dem herrschenden Idealbild der hier lebenden Gesellschaft anpassen (welches stark durch die Medien der westlichen Konsumwelt vorgegeben wird, wie z. B blonde Haare, schlanker Körperbau und helle („weisse“) Haut). Für Jemanden, dessen Vorfahren selbst aus dem Ausland stammen, kann dies jedoch in letzter Konsequenz zu extremen Problemen mit dem eigenen Selbstwertgefühl führen, ganz besonders auch im jugendlichen Alter. Anspruch und Wirklichkeit klaffen somit oft unüberbrückbar auseinander, anders als beispielsweise bei der persönlichen Lebensführung wie dem Verhalten anderen Menschen gegenüber oder dem Umgang mit neuen, ungewohnten Situationen kann man gewisse Dinge einfach nicht verändern (siehe Hautfarbe). Das heisst, falls man es aus irgendwelchen Gründen nicht schafft, sich der neuen Umgebung anzupassen oder gewisse Dinge „einfach“ hinzunehmen, können schwere psychische Schäden wie Traumata, Angststörungen, Drogenmissbrauch bis hin zur totalen Resignation auftreten – falls man nicht sogar ganz daran zerbricht. Bestehender Rassismus in der Aufnahmegesellschaft täte ein Übriges. Auf der anderen Seite würde aktiver Widerstand gegen Rassismus und Intoleranz nicht nur zu weiterer Ausgrenzung, Kriminalisierung und Gefahr für Leib und Leben führen, falls man über keine vertrauens- und verständnisvolle Basis von Unterstützungsmechanismen verfügt. Nein, man gerät dadurch erst recht in Gefahr, sich zum gesellschaftlichen Aussenseiter zu machen, da man ja nun nicht nur sowieso Jemand, „der hier nicht hinpasst“ ist, sondern sogar als „gefährlich“ oder als „Feind“ angesehen würde – was wiederum bestehende Vorurteile bestärkt.

Die Erkenntnis aus der Veranstaltung und der Podiumsdiskussion sieht also so aus: Der gegenseitige Austausch und die Offenheit gegenüber Neuem ist für Deutschland wichtig und eine Bereicherung. Deutschland ist keine homogene Gesellschaft und war es in der Vergangenheit auch nie. Kulturelle Vielfalt und natürliche Unterschiede zwischen allen Menschen sollten akzeptiert werden (können), denn dies ermöglicht den Abbau vieler auch künstlich erschaffener Hürden, was wiederum zu einem grösseren Verständnis zwischen allen Menschen führt und somit zu mehr Harmonie und (hoffentlich) zu mehr Frieden hierzulande und in der Welt.

Noomi

Menschen schwarzer Hautfarbe in Deutschland

16.03.18 wurde das Skatchteam zur Veranstaltung des Vereines Japoo e.V. und vom Eine Welt-Netzwerk NRW in das Bambo-Kino in Düsseldorf eingeladen. Auch Serge Palasie war dort, Thema der Veranstaltung war „Rassismus in Deutschland“. Eröffnet wurde sie mit der Aufführung des   Dokumentationsfilmes „Afro. Deutschland“ der Journalistin und Moderatorin Jana Pareigis, welche   ihre Rassismuserfahrungen sowie die anderer dunkelhäutiger Personen in Deutschland vorstellte. Im Rahmen dessen fand ein Diskurs statt, der von der Tina Adomako moderiert wurde, ausserdem ein  Vortrag von Serge Palasie, worin dieser den Zuschauern einen kurzen Einblick in die Geschichte gab. Es wurde dadurch verdeutlicht, dass es keinen Menschen mehr gibt, der sich über nur über eine Ethnie definieren lässt. „Den“ Biodeutschen gibt es also gar nicht mehr, so das Resümee von Palasies Vortrag. Auch wurden die Frage erörtert: „Welche Rolle spielt die Pigmentierung eines Menschen in Deutschland?“ Dunkelhäutige Menschen in Deutschland gibt es bereits seit 400 Jahren. Ist also die Bezeichnung „Mensch mit Migrationhintergrund Afrika“ noch korrekt, wenn man selbst schon in Deutschland geboren ist?

Skatchteam mit Theodor Wonja  Michael

Einer der Protagonisten in der Dokumentation, Theodor Wonja Michael, war anwesend. Der mittlweile 93jährige Buchautor erzählte uns über sein Leben  in Deutschland und das er viel Diskriminierung ausgesetzt war . Auch wurde er in seinem Ausweis als „Neger“ bezeichnet. Dies führte dazu, dass er lange Zeit  den Kontakt mit Weißen mied, um nicht in Schwierigkeiten zu geraten. Den Leuten im Publikum, die keine dunkle Hautfarbe hatten, haben die persönliche Geschichte von Wonje und die Darstellungen im Film ein Bewusstsein dafür vermittelt, das der Rassismus trotz Aufklärung und der überstandenen Hitlerzeit in Deutschland noch immer sehr präsent ist. Einige hatte Tränen in den Augen. Eine junge Frau fragte Herrn Michael aus dem Publikum heraus, was sie als weiße Person tun könne, um dem Rassismus entgegen zu wirken. Michael antwortete darauf: „Lach den Rassismus weg, Pigmentierung ist nur eine Sache des Melanins, es spielt keine Rolle“. Die Antwort entsetzte mich, man kann doch nicht über so ein ernstes Thema lachen, sondern man muss den Menschen den Spiegel vors Gesicht halten. Ich dachte mir insgeheim: „Sag deinen Leuten doch, sie sollten mit dem Rassismus aufhören!“. Aber diesen Gedanken behielt ich für mich. Tage nach der Veranstaltung bereute ich es, diesen Gedanken nicht laut ausgesprochen zu haben.

Austausch nach der Filmaufführung

Ich bin mittlerweile der Meinung, dass es mehr Veranstaltungen dieser Art geben sollte .Der Raum dafür steht zur Verfügung, also sollte er auch für den Austausch miteinander genutzt werden. Denn die Menschen, die an so etwas teilnehmen, sind meistens offen genug dafür, sich mit Rassismus auseinander zu setzen, auch wenn sie selbst persönlich nicht wirklich davon betroffen sind.

Noomi

Eine Buchbesprechung

Lagune“ von Nnedi Okorafor

„Lagune“, der erste Band einer Triologie der in den USA geborenen Autorin Okorafor, wartet mit mehreren Besonderheiten auf, die selbst mich als fast lebenslangen Science Fiction-Fan noch überraschen konnten. Okay, Invasionsgeschichten gibt es wie den sprichwörtlichen Sand am Meer, und an Gruppen teils unfreiwilliger Helden, an denen sich das Schicksal der Welt entscheidet, herrscht in der SF und Fantasy nun auch wahrlich kein Mangel.

„Lagune“ ist das Werk einer in den USA lebenden Tochter zweier Einwanderer aus dem westafrikanischen Nigeria. Wer jetzt aber glaubt, wie in rund 99,9 % aller Invasionsstories entscheiden sich die Außerirdischen deshalb dafür, entweder in den USA zu landen oder diese gleich „plattzumachen“, der irrt. Nein, das Schiff mit den Fremden geht im Meer vor der nigerianischen Megacity Lagos in Afrika zu Boden, bzw. zu Wasser. Da sind die doch glatt an der Kreuzung, an der das Schild mit der Aufschrift „Hier geht’s nach Washington, der Hauptstadt des Planeten Erde“ steht, falsch abgebogen… Die SF-Romane (und –Filme), in denen die Vereinigten Staaten von Amerika nicht explizit die Hauptrolle spielen, kann ich praktisch an einer Hand abzählen, mir fallen da nur ganz wenige ein: „Die drei Sonnen“ von Cixin Liu aus China, „Sin noticias de Gurb“ des Spaniers Eduardo Mendoza, dann eben „Lagune“ und der Film „The Time Guardian“ aus Australien.

 

Doch zurück zu Nnedi Okorafors Roman. Er beginnt nicht, wie man annehmen könnte, gleich mit der Einführung der Hauptcharaktere, sondern mit den Gedanken und Gefühlen, welche durch die Landung der Außerirdischen im Meer vor Lagos ausgelöst werden – im Kopf eines Schwertfisches… Wow, mal weder eine globale Versklavung noch eine planetare Zerstörungsorgie, das ist echt mal was anderes…! Die erste Person, die mit den Einheimischen Kontakt aufnimmt, ist die Vorauskundschafterin Ayodele, ein Wesen, das als Katalysator für eine Reihe von Veränderungen steht, die sich innerhalb der Umwelt und der Bevölkerung von Lagos ereignen. Auch das hat mich positiv überrascht. Der plötzlich vernunftbegabte Schwertfisch (der übrigens nun in gereinigtem, nicht mehr durch Öl und Müll verschmutztem Wasser lebt) ist nur eines von vielen, von sehr vielen veränderten Tieren. Auch eine riesige Spinne gehört dazu, obwohl ich aus einigen ihrer Äußerungen zu entnehmen glaube, das diese schon lange, jahrhundertelang unter Lagos lebt. Vielleicht ist sie eine uralte Gottheit, vielleicht auch eine vor langer Zeit bereits mit den Außerirdischen in Kontakt gekommene Wesenheit, ich kann das nicht sagen. Als Gag am Rande endet dann noch ausgerechnet eine durch den Einfluß der Aliens „erleuchtete“ Fledermaus mitten in ihren tiefschürfenden philosophischen Gedanken an der Frontscheibe des Flugzeuges des heimkehrenden nigerianischen Präsidenten – wie schade. Wenigstens konnten die Fremden dem totgeweihten Mann durch ihre überlegene Technik auch wieder zu einem neuen, gesunden Leben verhelfen.

 

Die schreckliche Umweltverschmutzung, vor allem durch die Ölförderung und den Müll der Milionenmetropole verursacht, wird bereinigt. Krankheiten, Verletzungen, verborgene Fähigkeiten der Lagosianer, all dies verändert sich (meistens) zum Positiven hin – womit allerdings keiner der Besucher gerechnet hat, ist die wahnwitzige Dummheit zum Beispiel der (hier: christlichen) Prediger und ihrer „Follower“. Der ansonsten gut geschilderte Glaube an Hexerei, Geister und lokale Götter wird in „Lagune“ ebenfalls so grotesk übertrieben, das man als Außenstehender wenig mehr tun kann als den Kopf darüber zu schütteln, wie viel Blödsinn die menschliche Rasse anstellen kann. Was das angeht, so müßte draußen an den Grenzen unseres Sonnensystemes eigentlich ein Warnschild vor uns zweibeinigen Irren angebracht werden. Panik und (Atom-)Kriegsvorbereitungen anläßlich von Ufo-Landungen gehören anscheinend ebenfalls zur menschlichen Genetik, das haben wir schon durch die angloamerikanische Science Fiction gelernt.

 

Nnedi Okorafor gelingt es derart perfekt, das Lokalkolorit und die Atmosphäre von Lagos zu schildern, das ich mich als Leser beinahe so fühlte, als sei ich selbst dort (ich war aber noch nie dort). Auch die diversen Animositäten, welche sich zwischen den verschiedenen Volks- und Sprachgruppen Nigerias abspielen, sind (in meinen Augen) perfekt getroffen, ohne die eine oder andere davon irgendwie über den Tisch zu ziehen. Es entsteht ein Bild einer quirligen, von Kraft und Selbstbewußtsein strotzenden Stadt voller offener und ehrlicher Menschen, die einfach ihr Leben leben. Offen und ehrlich, ja, wenn man mal etwa von dem christlichen Pfarrer absieht, gegen dessen fanatisches Auftreten selbst die religiösen Hetzer von Boko Haram wie die reinsten Kindergartenbetreuer wirken… Doch sei dies nur am Rande erwähnt, da er am Ende ja seine gerechte Belohnung durch die „himmlischen Besucher“ erhält… Gegen diesen Mann Gottes (eher des Geldes) sind selbst korrupte nigerianische Offiziere äußerst vertrauenswürdig und menschenfreundlich.

Wie gesagt, Okorafor spart nicht mit Seitenhieben auf die Fehlentwicklungen innerhalb der nigerianischen Gesellschaft. Alles wird gut, könnte man denken, bis Ayodele, die Botschafterin der Fremden von den Sternen, mißhandelt und erschossen wird. Da heißt, ein Wesen wie sie, das aus miniaturisierten Metallkügelchen besteht (eventuell mitsamt ihres Volkes eine künstliche Intelligenz?) und seine Gestalt wechseln kann, kann man eigentlich nicht töten. Allerdings kann man auch die gutwilligsten der außerirdischen Besucher dazu bringen, einmal die unmenschlichen Nerven zu verlieren und richtig auszuteilen. Die Besatzungsmitglieder von Ayodeles Raumschiff reagieren, genauso wie dann die Afrikaner widerum darauf reagieren, doch Wut und Kampf sind der ungewöhnlichen Situation geschuldet und nicht Teil eines Eroberungsfeldzuges oder Ähnlichem. Alles renkt sich auch wieder ein, wie man so schön sagt.

 

Ob im Guten wie im Schlechten, das Hauptziel der Sternenwesen war es, Veränderungen zu bewirken, und das haben sie geschafft. Nigeria wird nie wieder dasselbe Land wie vor ihrer Ankunft sein, und Außerirdische, die der Menschheit wirklich auf eine neue, positive Seinsebene auf einem gesundeten Planeten verhelfen wollen, anstatt den Globus zu sterilisieren und selbst zu kolonisieren, die muß man in Zeiten von „Independence Day“ und Ähnlichem wirklich mit der Lupe suchen. Schlußendlich stellt sich heraus, das auch vieles von dem, was unsere drei Helden (eine Wissenschaftlerin, ein berühmter Rapper und ein schwer traumatisierter Soldat) erleben, nicht unbedingt zufällig geschieht.

Fazit: „Lagune“ war eine sehr positive Erfahrung für mich, und ich habe wahrlich schon sehr viel SF gelesen, ganz abgesehen davon, das ich selbst schreibe. Außerdem war es mal sehr erfrischend, daß das Wohl und Wehe der Erde einmal nicht von den USA abhängt und das sich außerirdische Besucher auch so gar nicht für die Vereinigten Staaten interessieren.

 

Ein Wermutstropfen, der sich jedenfalls für mich persönlich als ziemlich verwirrend erwies, waren die äußerst kurzgefaßten Kapitel (in der Regel lediglich eine bis zwei Romanseiten), die den Lesefluß sehr stark gestört haben. Immer wieder wechselten die Perspektive und/oder der Handlungsort, und das in so kurzen Abständen, das ich kaum in der Lage war, den verschiedenen Handlungssträngen zu folgen und mich dort richtig „einzuleben“. Letztlich hat es aber geklappt. Vielleicht ist diese Einteilung ein spezielles Merkmal von Okorafors Arbeitsweise, möglicherweise liegt dieses Problem aber auch auf Seiten des deutschen Verlages. Ich fühlte mich jedenfalls nicht selten außerstande, die Handlung nachzuvollziehen, dazu bin ich wohl nicht flexibel genug, stöhn.

 

Wie dem auch sei, „Lagune“ verbindet die afrikanische (hier speziell die nigerianische) Lebenswirklichkeit mit all ihren Stärken und Schwächen mit einem Realismus, der sich mehr auf das Miteinander der Lebewesen bezieht als auf die Darstellung der militärischen Macht von Menschen oder Außerirdischen. Der Ausblick auf die Zukunft ist grundsätzlich positiv. Und da sich am Ende alle Schwierigkeiten erledigen und zum Guten hin wenden, bin ich versucht, der Prämisse von Ayodeles Volk zu folgen: Veränderung mag manchmal unangenehm oder störend sein, gefährlich auch, doch oft auch notwendig. Stillstand mag beruhigend sein, aber Wachstum kann nur durch Veränderung stattfinden. Ich hoffe, wir Menschen benötigen dazu nicht tatsächlich erst den Anstoß durch Besucher von den Sternen.

 

Dietmar Doering

 

Titel: Lagune

Autorin: Nnedi Okorafor

Übersetzerin: Claudia Kern, Coverzeichner: Greg Ruth

Verlag: CrossCult, 2016

ISBN: 978-3-86425-873-2

Mit Glossar, Taschenbuch

410 Seiten

„Geh nach Hause!“

An einem Nachmittag war ich auf dem Weg zu einer guten Freundin und nahm den Aufzug zur U-Bahn-Haltestelle. Ich stieg mit zwei älteren Menschen ein. Als die Fahrstuhltür  sich schloss, wandte sich die ältere Dame zu mir und sagte: „Geh nach Hause.“ Ich antworte: „Ich komme von zu Hause.“ Sie erwiderte: „Was hast du schon zum Aufbau vom jetzigen Deutschland beitragen? Ich gehörte damals zu den Trümmerfrauen, und wir haben Deutschland wiederaufgebaut.“ Ich entgegnete darauf nichts. Der ältere Mann, der neben ihr stand, verfolgte das Gespräch schweigend. Dann öffnete sich die Fahrstuhltür, und wir stiegen alle Drei aus.

Tage vergingen, das Ereignis im Fahrstuhl hatte ich aber nicht vergessen. Ich sprach mit Freunden und Bekannten darüber, auch sie machten in letzter Zeit ähnliche Erfahrungen: Mit Rassismus. An dem Punkt stellte sich mir die Frage, wie ich in direkten Konfrontationen bezüglich meiner Hautfarbe umgehe. Dazu kam mir das Seminar „Argumentationstraining gegen Stammtischparolen“ mit Manuela Ritz gerade recht. Letztendlich habe ich folgendes aus dem Seminar mitgenommen: Bei Menschen, die eine Antihaltung gegenüber Personen, die nicht „deutsch aussehen“, haben kann ich nicht wirklich etwas gegen deren Weltanschauung tun, wenn sie nicht selbst dazu bereit sind, ihren Blickwinkel ändern zu wollen. Doch die, die sich auf einen konstruktiven Austausch einlassen, mit denen werde ich gern in einen Dialog treten, ungeachtet aller Differenzen. Wieso dies? Nun, kaum ein Land verfügt heutzutage noch über eine wirklich homogene, ethnisch in sich abgeschlossene Bevölkerung, da im Laufe der langen Menschheitsgeschichte bereits permanente Wanderungsbewegungen stattfanden, sei es wegen Kriegen, Verfolgung, Naturkatastrophen, wegen der Suche nach Arbeit oder der Hoffnung auf ein besseres Leben. Nicht zu vergessen sind auch  persönliche Bindungen, die aufgrund von Liebesbeziehungen entstanden. Manch eine Kultur, weist  zugegebenermaßen noch wenig Zuwanderung auf, die Gründe mögen vielfältig und auch in naturgegebenen Umständen zu suchen sein (etwa bei in abgelegenen, vielleicht auch in kulturellen und religiösen Voreingenommenheit bzw. Segregation (Japan scheint unter anderem wegen seiner Insellage zu dieser Kategorie zu gehören). Doch Länder wie beispielsweise die USA würden ohne Ausländer heutzutage überhaupt nicht existieren, da dort vorher ausschließlich indigene Indianervölker lebten. Die wichtigste Erkenntnis der sich ein Jeder von uns stellen muss, lautet: Sobald man – aus welchen Gründen auch immer – auch nur einen Fuß über eine Staatsgrenze setzt (Urlaub!), wird dann selbst zum Ausländer.

Noomi

非洲 – Fēizhōu (Afrika auf Chinesisch) Kolumne: Wir ernten, was wir säen

Meine Chefin pflegt das immer zu sagen. Man muß nicht den gleichlautenden Buchtitel (der den Nahen Osten zum Thema hat) lesen, um zu verstehen, was damit gemeint ist. Ich bin zeitlebens Science Fiction-Fan. Wieso ist das wichtig? Weil eine der Grundprämissen der Science Fiction neben der Existenz von „Aliens da draußen“ die ist, das es den Bewohnern der Erde gelingt, sich irgendwann auch als solche zu sehen und eine globale Gesellschaft zu erschaffen. Klar, sogar in der lange als Literatur für Spinner und Realitätsflüchtlinge denunzierten SF fällt diese nicht so einfach vom Himmel. Die Gründung der planetaren Gemeinschaft geht auch da meistens mit Widerständen, Angst und harten Veränderungen einher, die sich jedoch meistens über einen sehr, sehr, sehr langen Zeitraum hinziehen. Der eiserne Griff der heutigen globalistischen Indoktrination und Propaganda erfüllt mich als „Erdenmenschen“ daher mit Schrecken. Warum? Weil es diffuse Kräfte zu geben scheint, denen diese Vorgänge anscheinend zu lange dauern oder die sie nicht mit genügend Nachdruck durchgesetzt sehen. Man will nicht warten, bis die Völker der Welt auf natürliche Weise ineinander aufgehen und auf Grundlage der jeweils besten Bestandteile ihrer jeweiligen Kulturen in einer neuen, einer globalen Einheit miteinander verschmelzen (im Volk der „Terraner“, so wird es in der SF allgemein genannt). Als wenn es nicht schon genug Probleme gäbe, wurde meines Erachtens nach eine ursprünglich positive Zukunftsvision in eine strategisch angelegte, gnadenlose Ideologie umgeformt, die sich heutiger psychologischer und technischer Errungenschaften bedient, um eine neue Kolonialherrschaft aufzubauen – jetzt eben im globalen Maßstab. Man „säubert“ die Nationen derzeit (noch) quasi mental von renitenten Elementen, und die neuen Sklaven bekommen heutzutage eben unsichtbare Peitschenhiebe, wenn sie nicht gehorchen. Kolonialismus 2.0 sozusagen. Ein großer Unterschied zu damals ist, das man die lokalen Bevölkerungen nicht einfach nur militärisch besiegt und ausbeutet. Heutzutage schiebt man sie auf dem weltweiten Schachbrett in noch viel größerem Maßstab wie Figuren umher, als wie das in der offiziell als Sklaverei bekannten Zeitperiode der Fall war. Man macht sie durch Pervertierung gesellschaftlicher Normen orientierungslos, entwurzelt sie durch weltweite Umsiedlung und beutet die Rohstoffquellen dann inmitten von allgemeinem Chaos ohne organisierte Gegenwehr durch deren lästige Besitzer aus. Interessierte Leser mögen sich doch einmal den Film „Avatar“ anschauen, in dem der Rohstoffrausch auf eine von fremden Wesen bevölkerte ausserirdische Welt verlagert wird – das Schicksal der Afrikaner und Indianer läßt sich aber gut wiedererkennen….

Doch nun hat ein neuer Spieler das Spielfeld betreten: China mit seiner lebensraum- und rohstoffhungrigen Bevölkerung von allein fast zwei Milliarden Menschen. Naja, das Reich der Mitte hatte bereits in der Historie Kontakte zu afrikanischen Ländern: Der anfangs ignorierte und dann als Phantast diskreditierte britische Autor Gavin Menzies, an dessen Forschungsergebnissen heute niemand mehr vorbeikommt, stieß die ganze Diskussion mit seinem Buch 1421 – Als China die Welt entdeckte über den vor sechshundert Jahren lebenden chinesischen Admiral Zhang He und dessen Schatzflotten bereits im Jahr 2003 an. Die Chinesen haben grundsätzlich dasselbe Ziel wie die Megakonzerne (also mehr oder weniger eigentlich nur eine Wachablösung der Westmächte), doch sie bauen wenigstens noch nützliche Infrastruktur auf. Und sie nerven die afrikanischen Herrscher vor allem nicht mit permanenten heuchlerischen Demokratisierungsforderungen. In der menschlichen Geschichte endeten Invasionen meistens damit, dass die kolonisierten Völker ihre Eigenständigkeit, ihr Selbstbewußtsein und letztlich ihre Identität verloren. Wenn die Verlierer einfach irgendwann nur in den Imperien aufgingen und assimiliert wurden, konnte das noch als Glücksfall gewertet werden. Die Alternativen dazu reichten von der totalen Marginalisierung innerhalb des neuen Staatsverbandes bis hin zur vollständigen Ausrottung. Die Geschichte kennt neben dem Schicksal der afrikanischen Völker zahlreiche tragische Beispiele, das der Indianer in den Amerikas oder das der Tibeter etwa, die sich nur auf den ersten Blick voneinander unterscheiden: die US-Indianer wurden mit Gewalt bekämpft und praktisch ausgelöscht, die Tibeter sahen und sehen sich einer derart großen staatlich organisierten Zuwanderung von Han-Chinesen ausgesetzt, das deren Kultur und Sprache ihre eigene praktisch hinwegfegt. Hierin erkennen viele Europäer zu ihrer eigenen Lebenssituation inzwischen gewisse Parallelen. Ich finde das sehr bedauerlich, da ich den Chinesen und ihrer Kultur ebenfalls sehr viel Sympathie entgegenbringe und auch einmal zwei Jahre lang Mandarin-Chinesisch gelernt habe. Afrika ist im Grunde eher Opfer dieser zweiten Variante, die wenn man so will damals schon eine frühe Art eines afrikanischen Hooton-Planes darstellte. Den Afrikanern wurden die Bildungssysteme, Sprachen und Kulturen der Kolonialherren übergestülpt, sie selbst wurden zudem zu Bürgern x-ter Klasse der Kolonialmächte erklärt. Rein theoretisch sollten sie damit natürlich auch wenigstens dieselben Rechte der „echten“ Franzosen, Engländer, Deutschen und so weiter erhalten, doch die Realität ist eine andere, wie selbst der heutige Umgang der sogenannten „Mutterländer“ mit den ungeliebten „Kindern“ zeigt. Der Imperialismus der Neuzeit besitzt ausser überwältigender militärischer und technologischer Macht nämlich eine vielleicht viel stärkere und gefährlichere Waffe: Die Unterworfenen wollen die Kultur der Kolonialmächte im Zuge der sogenannten Globalisierung übernehmen, sie sind richtig heiß darauf! Das ist so praktisch wie perfide, denn die Gefahr des gewaltsamen, langwierigen und daher auch kostspieligen Widerstandes wird dadurch deutlich minimiert. Schon nach dem zweiten Weltkrieg waren die Europäer im Allgemeinen und die Deutschen im Besonderen begierig dabei, die amerikanische Kultur geradezu zu inhalieren. Spiele, Musik, Filme, Literatur, all dies sind nun Ausprägungen einer globalisierten US-Kultur, die zivilisatorische Unterschiede, welche noch nicht nivelliert werden konnten, inzwischen demonstrativ als Diversität feiert. Wenn man die Globalisierung auf dem afrikanischen Kontinent in derselben intensivierten Form durchdrücken würde, wie das derzeit in Europa geschieht, fehlte dabei aber der historische Hintergrund, der in Deutschland auch heutzutage noch so hinderlich bei der realistischen Integrationsarbeit ist. Ich präferiere ja einen Panafrikanismus, der nationale und religiöse Auswüchse, wie sie Europa derzeit erschüttern, vermeidet und überflüssig machen soll. Aber ich spreche den Afrikanern nicht das Menschsein ab, nur weil sie sich noch nicht gehorsam von heute auf morgen in die gesichts-, meinungs-, kultur- und geschlechtslosen Arbeitsdrohnen verwandelt haben, die den Globalisten anscheinend vorschweben. Ein Weltbürger zu sein, bedeutet nämlich was anderes! Wenn sich alle trotz ihrer Unterschiede dereinst als Bewohner des Kontinentes Afrika sehen und die diversen Probleme dann auch als sämtliche Afrikaner betreffend begreifen und lösen wollen, ist schon einmal viel gewonnen. Doch ich wage mir nicht vorzustellen, was geschehen würde, wenn man den Afrikanern noch einmal von außerhalb in Herrenmenschenmanier die Art von Globalisierung verordnen würde, unter der Europa und besonders Deutschland ächzen… Und zwar ganz abgesehen von den verheerenden Auswirkungen, die ohnehin bereits durch die willkürliche Grenzziehungen auf der berüchtigten Berlin-Konferenz verursacht wurden. Die Neuordnung der kontinentalen Gemeinschaft müßte sowieso durch die Afrikaner selbst geschehen, vermutlich eher angesichts der bestehenden ethnischen Bindungen. Einem Fulbe ein schlechtes Gewissen einzureden, weil er sich als Fulbe empfindet, oder Südsudanesen als nationalistisch zu brandmarken, weil sie auf ihre neue, eigene Nation stolz sind, ist im afrikanischen Kontext ziemlich bizarr, das hat wohl auch noch niemand ernsthaft probiert. Doch ob es sich die Afrikaner auf Dauer wohl ohne Konflikte gefallen lassen würden, wenn statt der chinesischen Arbeiter auch plötzlich Millionen chinesischer Siedler kämen, die aber Chinesen bleiben wollen, auf ihrer kulturellen Identität beharren und im Gegenzug die einheimischen Schwarzen und deren kulturelle Eigenheiten verachten? Vereinzelte Stimmen, die meinen, die Chinesen nähmen den Afrikanern angeblich die Frauen, die Arbeit und die Wohnungen weg, gibt es anscheinend durchaus schon – wieso also sind denn diese populistischen Aussagen in der deutschen Presse kein Thema? Weil die Afrikaner der deutschen Presse in Wirklichkeit am ***** vorbeigehen, solange man sich nicht publikumswirksam als gütiger weißer Helferengel der im übrigen florierenden Hilfsindustrie generieren kann. Und man sägt ja nicht den Ast ab, auf dem man selbst sitzt. Eben. 感谢你们的关注Gǎn xiè nǐ mén de guān zhù (Danke für Ihre Aufmerksamkeit)!

Dietmar Doering

Darstellung Schwarzer Menschen in den deutschen Medien

Let’s Talk 2016 – durch Noomi und Murdoch ins Leben gerufen – thematisierte am 16. Oktober 2016 die Darstellung Schwarzer Menschen in den deutschen Medien.

Durch Interaktivität der Podiumsgäste, des Publikums und der Moderation entstand eine lebendige Diskussionsrunde, die es wert ist sich nochmals anzusehen und den Meinungsaustausch in den Posts fortzuführen.

Wir freuen uns auf Eure Beiträge, Likes und dem Teilen dieses Films.

Euer SkatchTeam

Schwarzer Humor in Deutschland – Interview mit Marius Jung

Hintergrund

Die wachsende kulturelle Vielfalt ist einerseits eine gesellschaftliche und politische Herausforderung für Deutschland, andererseits stellt sie eine Chance dar, Menschen, die nicht Deutsch aussehen, Raum zu geben. Damit ist gemeint: Die Herausforderungen Deutscher, die nicht-deutsche Wurzeln haben, darzustellen, um das Miteinander angenehm zu gestalten. Ein Bewusstsein dafür zu schaffen, das eine Gesellschaft aus Vielfalt besteht. Das in Deutschland überwiegend Menschen leben, deren Vorfahren Großteils nur aus der Türkei oder Polen stammen, gehört längst der Vergangenheit an.

Im Jahr 2015 besuchten ein Freund und ich die Show “Singen können die alle, vom Neger zum Maximalpigmentierten“ des Kabarettisten Marius Jung. Es war für mich ein erstaunliches Bild, einen schwarzen Mann auf der Bühne zu sehen, der in Deutschland Comedy macht. Abgesehen davon gibt es zwar bereits zwei oder drei Stand up-Komödianten, die dunkelhäutig sind, aber oftmals geht es dabei lediglich um die Herausforderungen, vor denen die dunkelhäutigen Menschen auf Grund mangelnder Deutschkenntnisse stehen. Marius Jung wiederum geht es darum, seinen Zuschauer humorvoll ein Bewusstsein dafür zu verschaffen, wie es sich als „maximalpigementierter“ Mensch in Deutschland lebt. Und darum, wie verschiedene Arten von Menschen mittels eines Lachens zueinander kommen. Nach der Show durfte ich nach vorheriger Anfrage ein Interview mit Marius Jung führen, was sich daraus ergab, möchte ich euch gerne vorstellen.

Marius Jung und Noomi in Köln.

Sally: Hallo Marius,  ich freue mich, dass ich mit dir ein Interview führen darf,  und du dir Zeit dafür genommen hast. Ich schreibe ehrenamtlich für das Magazin Africa Positive und mir ist es wichtig zu zeigen, dass man unsere Pigmentierung nicht nur mit Negativem assoziieren  darf.

Was hat dich dazu motiviert, das Buch zu schreiben?

Marius Jung:  Nachdem ich auf der Bühne immer wieder meine Hautfarbe zum Thema gemacht habe, war es für mich ein logischer Schritt auch ein satirisches Buch zu dem Thema zu verfassen. Das Buch ist quasi eine Reise zu mir selbst. ich möchte anderen Menschen einen Einblick geben, wie ich es erlebe als Schwarzer in Deutschland  zu leben.

Noomi: Was hast du für Erfahrungen gemacht seit der Veröffentlichung deines ersten  Buches “Handbuch für Negerfreunde“?

Marius Jung: Spannende Erfahrungen durfte ich machen. Es gab verschiedene Reaktionen auf mein Buch.  Interessant fand ich, dass ich ausschließlich von Menschen  als Rassist kritisiert worden bin,  die mein Buch nicht  einmal gelesen haben. Wichtig war es mir, Menschen nicht einfach mit Kritik zu begegnen, sondern über Humor  auf den Rassismus  aufmerksam zu machen. Lachen öffnet die Menschen.

Noomi : Wie lange, glaubst du, dauert es, das dunkelhäutige Menschen in Deutschland öfters mal Rollen spielen dürfen, die nicht klischeehaft (Putzkraft, Gangster, der deutschen Sprache allgemein nicht mächtige Ausländer) besetzt sind?

Marius: Das kann ich so nicht sagen. Nur aus eigener Erfahrung kann ich sagen, dass es auch weiterhin die gleichen Rollen sind die ich angeboten bekomme. Ich darf Musiker und Kleinkriminelle spielen. Filmschaffende und Redaktionen müssen von ihrer klischeehaften Sicht auf Rollenbesetzungen weg. Solange in Produktion behauptet wird Zuschauer fänden es unglaubwürdig einen dunkelhäutigen Arzt zu sehen, sehe ich schwarz. In meinen Programmen kann ich spielen, wen ich möchte.

Noomi: Viele Dunkelhäutige in meinen Umkreis sagen, weil ich Schwarz bin, habe ich in Deutschland keine Chance. Siehst du es auch so?

Marius: Es ist gerade in der heutigen Situation schwierig als schwarzer Mensch in Deutschland. Zwei Punkte halte ich für wichtig. Wir dürfen uns nicht in die Opferrolle drängen lassen. Und anstatt zu jammern sollten wir an  unserem Selbstwertgefühl arbeiten, damit wir uns stark fühlen.  Es lohnt sich.

Noomi: Danke, dass du dir Zeit für das Interview genommen hast.

Info zur Verfasserin: Sally N. ehrenamtliche Autorin unter anderem auch für das Magazin Africa Positive