Lieber Angsthase!

Ich weiß, dass Du davor Angst hast, dass sich in Deinem Leben Veränderungen ergeben werden. Deswegen bist Du ja auch der Angsthase. Ich frage mich, ob Deine Reaktionen und Reflexe auf Deine Angst Dich von ihr befreien werden? Bisher verlief Dein Leben meist zu Deinen Gunsten gut. Du musstest nie hungern, Du kanntest keine Obdachlosigkeit, Deine Ausbildung war gesichert und Du wurdest medizinisch erstklassig versorgt (Ausnahmen bestätigen die Regel). Handelt es sich bei Dir vielleicht um Verlustängste? Dein Status scheint nicht mehr sichergestellt. Die Bildungseinrichtungen, die Du besuchtest, vermittelten Dir längst überholtes Wissen und bereiteten Dich nicht auf zukünftige Herausforderungen vor. Dir wurde nicht erzählt, dass ein Land wie die Volksrepublik China binnen einer Generation von einem Land, deren Bevölkerung noch unter Hungersnot litt, zur zweitstärksten Volkswirtschaft der Welt aufsteigen würde. Dir wurde auch nicht beigebracht, wie Du im Rahmen von Negativzinsen und Inflation Deinen privaten Wohlstand mehren oder ihn zumindest erhalten kannst. Dir wurde auch nicht mitgeteilt, dass es möglich ist, dass ein Hersteller von Elektrofahrzeugen aus den USA – innerhalb einer Dekade – alleine mehr wert sein wird, als die gesamte deutsche Automobilindustrie. Es gefällt Dir auch nicht, wenn eine minderjährige Schülerin aus Schweden freitags nicht zur Schule geht, um Dich darauf aufmerksam zu machen, dass Deine Lebensweise nicht gut für das Klima ist. Du willst nicht auf Kaffee, Bananen, Schokolade, Gewürze, Öl, Gas und Benzin verzichten, aber Du hast Angst vor den Menschen, die aus den Ländern kommen, in denen diese Rohstoffe abgebaut werden. Es hat Dir auch niemand verständlich machen können, dass Menschen, seit sie existieren, immer gewandert sind und das Ländergrenzen nichts Natürliches sind. Du weißt zwar, dass es im deutschen Grundgesetz einen Artikel gibt, der darauf hinweist, dass alle Menschen gleichwertig sind, aber irgendwie möchtest Du dann doch nicht gendern oder geschlechtsneutral formulieren.

Dir fällt auf, dass die Parteien, die Dich in den Landtagen und im Bundestag vertreten, Dir Deine Angst nicht nehmen können und Dir auch keinen Mut für die Zukunft machen können.

Wahrscheinlich wünscht Du Dir nun die Epoche des 20. Jahrhunderts bis in die 1960er Jahre zurück, im tiefsten Inneren, weißt Du jedoch, dass sich das Rad nicht mehr zurückdrehen lässt.

Wir durchleben derzeit eine Revolution, lieber Angsthase. D.h. dass sich Gesellschafts- und Wirtschaftsweisen um 180° ändern werden. Revolution bedeutet Umwälzung! In ihr werden die bestehenden Herrschaftsverhältnisse verändert und die Machtverhältnisse neu verteilt. Die Karten werden also neu gemischt. In der Geschichte kam und kommt es immer wieder zu Revolutionen. Häufig verliefen Revolutionen blutig. Ich hoffe für uns alle, lieber Angsthase, dass wir Industrie 4.0 friedlich erleben werden. Dennoch wird es Phasen geben, die für manche ungemütlich verlaufen werden. Lieber Angsthase, ich weiß auch nicht was passiert, wenn wir jährlich um die 400.000 Migranten für unseren Arbeitsmarkt benötigen, um unseren Wohlstand und unseres Sozialsysteme zu sichern und wenn gleichzeitig durch die Digitalisierung eine Arbeitslosigkeit im zweistelligen Prozentbereich hervorgerufen wird. Was ich aber weiß ist, dass sich aus Veränderungen auch Chancen und neue Möglichkeiten ergeben. Angst rührt häufig aus Unwissenheit her und Mythen und alten Wissensbeständen. Wenn Du Dein Wissen updatest, könnte es eventuell Deine Angst lindern oder sie Dir sogar nehmen. Meinen nächsten Brief schreibe ich der Mutigen Bärin, die die sich den neuen Herausforderungen stellt und mit ihrer Zuversicht und ihren Visionen einen neuen Spirit etablieren kann. Eventuell gibt es da ja etwas, was Dir Mut macht.

Beste Grüße

Dein

Murdoch