Tönnies wieder in Amt und Würden

Am 07.11.2019 lief die „Sperre“ von Schalker Aufsichtsratsvorsitzenden Clemens Tönnies ab und er darf seitdem wieder seine Amtsgeschäfte wieder aufnehmen und fortführen.

Tönnies hatte im August 2019. Auf einer Veranstaltung der Handwerkskammer Paderborn die Aussage getätigt: „Der spendiert dann jedes Jahr 20 große Kraftwerke nach Afrika. Dann hören die auf, die Bäume zu fällen, und sie hören auf, wenn es dunkel ist, wenn wir die nämlich elektrifizieren, Kinder zu produzieren.“

Das Problem an dieser Aussage ist, dass sie einen gesamten Kontinent mit seinen Menschen Dämonisiert und sich jeder seinen Teil der für ihn angenehm ist raussuchen kann – Hauptsache es gibt für alle Probleme einen Sündenbock -. Es soll eben weniger Afrikanerinnen und Afrikaner auf der Welt geben. Gründe dafür können viele angebracht werden, z.B. Überbevölkerung oder Nahrungsmittelknappheit etc. Die Mehrheit  der Überbevölkerung, insbesondere in Afrika wird nicht gerade von einer geringen Anzahl an Menschen (darunter auch Wissenschaftlern) der Industriestaatten tradiert.

Die Fläche Afrikas ist in etwa zehnmal so groß, wie die Fläche Europas. In gesamt Afrika leben ca. 1,3 Mrd. Menschen, während die Mitgliedstaaten der Europäischen Union (noch 28) eine Bevölkerung von ca. 515 Mio. Menschen aufweisen.

Vergleicht man das Verhältnis von Menschen zur Landfläche zwischen Afrika und Europa auch nur grob, wird klar, dass der afrikanische Kontinent groß genug wäre, um auch eine Verdoppelung seiner Bevölkerung tragen zu können.

Auch ist Afrika nicht der bevölkerungsreichste Kontinent der Erde, dies ist nämlich mit ca. 4 Mrd. Menschen Asien. Über die Hälfte der gesamten Menschheit sind Asiaten! Während jeder zweite Mensch Asiate ist, ist nur jeder siebte Mensch Afrikaner. Um also der Kontinent mit der größten Bevölkerung zu werden und Asien als bevölkerungsreichsten Kontinent zu überholen, würde eine Verdoppelung der Bevölkerung Afrikas nicht ausreichen, man müsste sie mindestens verdreifachen (Scherz).

Die Stadt von New York mit 8,5 Mio. Einwohnern hat einen höheren Energieverbrauch, als der gesamte Kontinent Afrika! Warum gibt es  zu viele Afrikaner, aber nicht zu viele New Yorker? Wer bestimmt, was Überbevölkerung ist? Warum sind aus eurozentrischer Sicht immer die „ANDEREN“ zu viele?

Für die Bewertung des Reichtums und des Wohlstands von Ländern wird die Maßzahl Bruttoinlandsprodukt (B.I.P.) zu Grunde gelegt. Dabei handelt es sich um einen Wert aller Waren und Dienstleistungen, die ein Land / Kontinent in einem Jahr produziert.

Europa hat gegenüber Afrika enorme Handelsüberschüsse. Legt man nicht-monetäre Kennzahlen zugrunde, sieht es genau andersherum aus. Hier kann der Ökologische Fußabdruck als Messgröße dienen. Die Menschen Afrikas belasten in dieser Bilanz und mit großem Abstand (im Vergleich zu allen anderen Kontinenten) die Erde am geringsten. Somit bräuchte man 5 Planeten, wie die Erde, wenn jeder so leben würde wie ein US-Amerikaner und 3 Planeten, wenn alle Menschen einen deutschen Lifestyle pflegen würden.

Herr Tönnies wäre besser beraten gewesen, hätte er sich mit den eigentlichen Ursachen für den Zustand Afrikas befasst.

Er ist als einer der größten Fleischproduzenten in Europa. Sein Fleisch bezieht er überwiegend aus Massentierhaltung. Die Massentierhaltungen erfordert Anbauflächen, um Nahrung für die Massentiere anzupflanzen. Wahrscheinlich ist die Landwirtschaft inklusive Massentierhaltung der größte Umweltverschmutzer. Umweltverschmutzung führt zu allen erdenklichen Negativeffekten, z.B. zum Klimawandel. Er sorgt für den Entzug von Lebensgrundlagen, wie beispielsweise Dürren oder ausgetrocknete Seen.

Ich erlaube mir an dieser Stelle Tönnies als Teil des Problems zu sehen und nicht als Lösung. Seinen Lösungsvorschlag: Die afrikanische Bevölkerung solle weniger schnell wachsen ist wahrscheinlich weniger effektiv, als wenn Handelspartner auf Augenhöhe verhandeln, Produktionsstätten ihre Standorte dort haben, wo die Rohstoffe abgebaut werden etc. Dies würde dann auch gleichzeitig zu geringeren Geburtenraten führen. Ich kann mir gut vorstellen, dass Tönnies mit diesen Ansätzen d’accord geht.

Er hat sich zu einer abwertenden Aussage hinreißen lassen. Es ist bei denen gut angekommen, die für ihr eigenes Selbstwertgefühl ein klischeehaftes „Afrika-Welt-Bild“ benötigen, um sich supreme (überlegen) zu fühlen.

Eine Dämonisierung aller Menschen, aber insbesondere aller Menschen Afrikas, löst nicht die großen globalen Herausforderungen der Welt. Afrika und seine Menschen sind nicht der Sündenbock für alles Schlechte auf dieser Welt. Ohne Afrika, wäre die Welt arm.

Murdoch

Fußball ist auch eine große Plattform für Hater, Misanthropen und Rassisten

Der Fußball hat die Rassisten nicht erfunden und auch nicht produziert. Der Fußball zieht Rassisten an und die Rassisten waren bereits Rassisten, bevor sie zum Fußball kamen. Dennoch hat der Fußball eine Verantwortung. Verbände wie FIFA, UEFA und DFB/DFL stecken viel Geld in Anti-Rassismus Kampagnen und auch mehr und mehr Vereine werden sich ihrer Verantwortung bewusst, dass sie sich dem Rassismus entgegenstellen müssen.

Ob Tönnies Rassist ist oder nicht, spielt für diesen Artikel keine Rolle. Die Reflexe derjenigen, die Tönnies nicht widersprechen und seine Sanktion für das richtige Strafmaß halten, finde ich viel interessanter. Sie sind zwar nicht originell, langweilig und plappern uraltes Gedankengut nach, aber sie zeigen, wie es mehr und mehr gelingt, dass rassistisches oder koloniales Gedankengut weiter zu kultivieren und tradieren. Der Mikrokosmos der Fußballgesellschaft zeigt es anhand der obigen Beispiele.

Wir befinden uns in einem Machtspiel: wie weit kann ich etwas sagen, und sei es noch so deplatziert? In wie weit findet das Gesagte gesellschaftliche Akzeptanz? Den Auftritt Tönnies haben 1 600 Menschen live mitbekommen. Unter ihnen waren auch der Erzbischof und der Oberbürgermeister von Paderborn. Für seine Aussage erntete Tönnies Applaus und keine Pfiffe. Welches Signal wird dadurch in die Welt gesendet?

Non-White Privilege People können diesen “Nachgeschmack“ sicherlich nachvollziehen. Es geht hier nicht um Tönnies, es geht darum, in wie weit sich die Linien des Sagbaren nach rechts verschieben lassen und solche Stammtischparolen Salonfähig werden. Der Rassismus ist nicht in der Mitte der Gesellschaft angekommen, er war nie weg! Es gab ihn immer schon in verkappter Form. Seit einiger Zeit ist er für White Privilege People sichtbar.

Man muss kein Rassist sein, um dennoch von einem rassistischen System zu profitieren. Genauso wenig, wie man Sexist sein muss, um von einem sexistischen System zu profitieren. Und darum geht es mir. Diejenige, die am meisten davon profitieren sind White Privilege People. Menschen, die dieser Gruppe angehören, haben die größten Privilegien in einer Gesellschaft. Was nicht heißen soll, dass ihnen alles im Leben geschenkt wird, jedoch haben sie einen Vorsprung den anderen gegenüber.  Häufig behaupten die Profiteure, dass sie durch ihre eigene Arbeit und ihre eigene Genialität ihre Ziele erreicht haben und dass es jeder schaffen kann und alle dieselben Chancen hätten und Non-White Privilege People alles immer falsch verstehen. Erst wenn sie merken, dass beispielsweise eine Gesetzesänderung zugunsten der Non-White Privilege  People  wird laufen mehr und mehr von ihnen Sturm (siehe Hate-Speech in Social Media). Insbesondere die Aussagen von Tönnies beflügelt diejenigen weiter, die noch ein koloniales, Menschenverachtendes und rassistisches Weltbild haben. Diese Menschen, haben dann das Gefühl, etwas von ihren Privilegien einbüßen zu müssen, wie z. B das „man wird doch noch sagen dürfen.“ Spätestens hier beginnt dann die Reflektion , aber das Verständnis und die Empathie fehlen. „Protestwähler sind keine Rassisten, sondern nur besorgte Bürger.“ Wie originell.

Erst einen abwertenden Spruch raushauen und sich dann entschuldigen oder sich missverstanden fühlen.

Wo soll und wird das hinführen?

Murdoch