Business Strategien für junge Migranten

Ich traf die Buchautorin Esther Samson in der U-Bahn und wir tauschten uns über unsere aktuellen Projekte aus. Ich berichtete, dass wir für das Afrika Ruhr Festival 2018 einen Workshop vorbereiteten. Dort sollten die Teilnehmer über das Brettspiel CASHFLOW auf spielerische Weise in die Themen Finanzen und Investitionen eingeführt werden und so für die Ökonomie sensibilisiert werden. Esther fand diese Idee so ansprechend, dass sie mich bat, auf der von ihr veranstalteten Vortragsreihe (Silent University in Mülheim an der Ruhr), darüber zu referieren. Sie stellte mir die Nebenbedingungen, dass ich in 20 Minuten jungen Migranten verschiedene Aspekte und Gründe aufzeigen sollte, warum eine mögliche Selbstständigkeit eine Alternative für sie darstellen könnte, um in der Gesellschaft Fuß zu fassen. Ich muss zugeben, dass es schon sehr herausfordernd war. Esther Samson und Augustina Nyarko sprachen in ihren Vorträgen über den Aufbau eine Kleingewerbes und Kreativität als Business Strategie. Als Schlussredner gab ich den Zuhörern praktische Tipps, die kostenlos und direkt umsetzbar sind. Außerdem führte ich praktische Beispiele an. Schon vorher, aber insbesondere beim Erstellen meiner Folien kamen mir viele Gedanken, die es galt entsprechend einzuordnen. So bietet eine Selbstständigkeit für Migranten, abseits von der Anerkennung im Ausland erworbener Qualifikationen, die Möglichkeit, eine Chance zu ergreifen und sich in der Gesellschaft zu integrieren. Eine Selbstständigkeit ist mit viel Verantwortung, Mut und Know-how verbunden. Gewisse Eigenschaften sollten gegeben sein, bevor man sich in eine Selbstständigkeit wagt, und das gilt nicht nur für junge Migranten! Als erstes sollte sichergestellt werden, dass man mit sich und seinem Privatleben im Reinen ist, denn eine Selbstständigkeit kann gerade in den Gründungsjahren ein 24-Stunden-Job sein. Nebenkriegsschauplätze wie Ehekrisen, private Schulden oder Konflikte mit dem Gesetz sind einem Projekt wie einer Selbstständigkeit in keinster Weise zuträglich. Ein weiterer Punkt ist, dass man ständige Bereitschaft aufzeigen muss sich weiterzubilden (es geht hier nicht um eine formelle oder akademische Aus-bzw. Weiterbildung). Das fängt beim täglichen Zeitungslesen an und hört bei internationalen Messebesuchen auf. Als drittes geht es auch darum die Denkweise eines Unternehmers zu adaptieren und entsprechend zu handeln. Hierzu führte ich das Beispiel des komparativen Kostenvorteils an. Bei diesem geht es darum, dass handelnde Marktakteure sich ausschließlich auf die Herstellung der Produkte oder Dienstleistungen konzentrieren, die sie am besten produzieren können und letztendlich mit anderen Marktteilnehmern tauschen. Dadurch gewinnen alle und es entsteht Wohlstand. Der Handel wird gesteigert, die Produkte werden günstiger, die Versorgung wird dadurch besser etc. Die Verantwortung, die mit einer Unternehmensgründung verbunden sind, sollten insbesondere für Migranten, die aus diversen Gründen über den Arbeitsmarkt nicht vermittelt werden können, als Alternative oder gar als Vorteil gesehen werden. Die Hürden für eine Unternehmensgründung können geringer sein, als die für den Arbeitsmarkt. Der Unternehmer schafft möglicherweise Arbeitsplätze und zahlt Einkommens- und Gewerbesteuern. Er bildet aus und versorgt die Menschen mit seinen Produkten und Dienstleistungen. So benötigt man ein abgeschlossenes Medizinstudium, um Arzt zu werden, während für den Bau einer Klinik kein Studium erforderlich ist. Auch bei diesem Beispiel zeigt sich der Multiplikator. Während der einzelne Arzt hypothetisch 24 Stunden am Tag arbeiten könnte, hat der Klinikgründer die Möglichkeit 100 Ärzte, die 24 Stunden arbeiten anzustellen. Darüber hinaus Pflegepersonal, Reinigungskräfte und alle Menschen, die in der Arbeit im Krankenhausbetrieb involviert sind. Kranke Menschen werden besser versorgt, es entstehen neue Arbeitsplätze, die Angestellten zahlen Steuern und Sozialbeiträge und sollte die Klinik Gewinn abwerfen, so werden auch wieder Steuern fällig, die dem Staat zugutekommen. Kurzum: ein Unternehmer leistet einen Dienst an der Gesellschaft, er stiftet ihr einen Nutzen und von daher werden Unternehmer auch in manchen Fällen bessergestellt als Angestellte. Unternehmer sind keinesfalls bessere oder schlechtere Menschen als Angestellte. Es geht vielmehr darum, jungen Migranten, die gerne arbeiten, es aber nicht dürfen oder können, eine alternative Perspektive zum klassischen Arbeitsmarkt aufzuzeigen.

Junge Migranten haben sicherlich auch Ideen aus ihrer alten Heimat mitgebracht, die -wenn man sie umsetzt- für unsere Gesellschaft einen Mehrwert darstellen können. Wenn Sie sich als Erfolg herauskristallisieren, dann hätten wieder alle gewonnen und somit hätten wir alle etwas gemeinsam, und zwar den Gewinn.

Im Anschluss der Vorträge folgte eine Podiumsrunde mit den drei ReferenInnen und einem Vertreter der Mülheimer Wirtschaftsförderung. Last but not least das auch noch vervollständigte Herr Oman, ein im Irak geborener und aufgewachsener Amerikaner, der in Mülheim an der Ruhr mittlerweile zwei Lebensmittelläden betreibt. Sie alle stellten sich den Fragen der rund 50 Gästen.

Grundsätzlich ist die Sensibilisierung für das Thema Finanzen und alles was damit verbunden ist ein Thema was weitere Kreise ziehen sollte. Was in Schulen oder im Wirtschaftsstudium vermittelt wird ist in den meisten Fällen für die Praxis (sowohl privat als auch beruflich) unzulänglich.

Bill Gates, Steve Jobs und Mark Zuckerberg haben die Universität abgebrochen. Sie sind jedoch erfolgreicher als alle hochrangigen Wirtschaftsprofessoren dieser Welt. Um solche Imperien zu gründen bedarf es in jedem Fall exzellente Kompetenzen und Qualifikationen, diese müssen in keinem Fall formeller Natur sein. Eine gute Nachricht für alle, die dieser Gesellschaft dienen möchten.

  Murdoch MacCunningham

Das Empfinden und das Dasein mit der Welt teilen

Zum ersten Mal in diesem Jahr konnte die Spoken Word-Künstlerin Lysania im Rahmen ihres Projektes „Erzähl mir im stillen Raum“ die drei interessanten Referentinnen Anna Afolabi, Clarisse Akouala sowie Lydia Soltoca für ihr Projekt gewinnen. Die Veranstaltung fand im Zentrum Essens im Atelierhaus statt. Der Räumlichkeit, in einem eher kalten und sterilen städtischem Umfeld, wurde durch schöne Beleuchtung, leiser Musik und leisem Glöckchengeklingel als Ankündigung der einzelnen Geschichten die Atmosphäre eines New Age Charakters  verliehen. Diese Atmosphäre war sehr angenehm und, die Vorträge authentisch und interessant. Jede Teilnehmerin erzählte eine prägnante 15minütige Geschichte aus ihrem Leben.

Lydia

 

Die erste Erzählerin Lydia mit polnischen Wurzeln trug eine beeindruckende Geschichte aus ihrer Kindheit im Jahre 1984 vor, die durch ihren Lieblingsroman „Die zwei Monddiebe“ geprägt war. Darin geht es um zwei Jungs, die von zuhause weggelaufen sind, mit dem Ziel, den Vollmond zu stehlen, um nicht mehr arbeiten zu müssen. Die Beiden merken rasch, dass man den Mond nicht stehlen kann und kehren nach Hause zurück. Seitdem sind aus ihnen verantwortungsvollere und hilfsbereite junge Leute geworden. Die Hauptrollen in der späteren Verfilmung als Kindermärchen spielten die Zwillingsbrüder Lech Kaczyński und Jarosław Aleksander Kaczyński. Lech Kaczyński war bis zu seinem Tod am 10. April 2010 Präsident des Landes Polens. Sein Bruder widmete sein Leben ebenfalls der politischen Karriere. Die Geschichte und die Zusammenhänge mit der Jugend der beiden polnischen Politiker sind der westlichen Öffentlichkeit nicht allgemein bekannt. Durch Lydias sehr einfühlsame Schilderung, bei der sie mehrmals stark zu Tränen gerührt war, war es als  Zuhörerin begreiflich, wie sehr die Schicksale von Menschen durch andere Menschen beeinflusst werden. Interessant war es  zu erfahren, dass durch das Märchen „Die zwei Monddiebe“ in Lydias Kindheit die Hilfsbereitschaft zu einem wichtigen Attribut wurde.

 

Clarisse

Die zweite Vortragende Clarisse Akoula erzählte, dass sie sich bereits während  des Workshops intensiv mit ihrer Biographie und ihrer Familiengeschichte auseinander gesetzt hat. Vieles, was in ihrer Familie passiert ist, hat ihr Einfühlungsvermögen dafür gestärkt, wer sie in ihrer Identität tatsächlich ist. Diese Tatsache gibt ihr in allen Lebenslagen Energie und Kraft.Erfahrungsaustausch und Interaktion sind wichtig für die Menschen und die anderen Personen, denen man  gegenüber steht. Nur müssen beide Gesprächspartner sich darauf einlassen können und wollen, ihr jeweiliges Innenleben nach außen zu spiegeln, was auch bedeuten kann, dass es zu emotionalen Irritationen kommen kann. Man kann sowohl sehr positiv angerührt oder /aber auch verstört werden, was an vielen verschiedenen Ursachen liegen kann. Sprich: wenn Dinge, die in der Vergangenheit zu Verletzungen geführt haben, wieder ausgegraben und dadurch in der Gegenwart erneut präsent werden.An dieser Stelle erinnere ich mich an eine Bemerkung von Clarisse (Teilnehmerin des Projektes): „Ich fühlte mich depressiv und habe mir bei einem Psychiater Hilfe gesucht. Dieser erklärte mir, dass ich keine Depressionen hätte, sondern dass die Dinge, die ich bis jetzt immer in mich hineingefressen hätte, einfach heraus müssten. Das habe ich dann getan, und mir geht es nun gut.“

 

Anna und Lysania

Die letzte Teilnehmerin Anna Afolabi , trug eine beeindruckende Geschichte über ihren Identitätskonflikt vor, der sie in ihrem Leben sehr beeinflusst hat. Ihre Eltern stammen aus Nigeria (Westafrika). Sie selbst wurde in Deutschland geboren. Als sie in die Schule kam, wurde ihr allmählich klar, dass sie eine andere Hautfarbe hatte als ihre Mitschüler. In der nigerianischen Gemeinde, wo sie und ihre Eltern Mitglied waren, musste sie sich damals fragen lassen, warum sie die Sprache ihrer Eltern nicht spräche. Nun aber stand die Frage im Raum: „Bin ich Schwarz oder Weiß, und warum muss ich mich überhaupt entscheiden?“.

 

Zum Schluss der Veranstaltung hatten die Gäste die Möglichkeit, sich von den gehörten Geschichten und auch durch die damit zusammenhängenden sehr atmosphärisch, ansprechend und warmherzig dargestellten Collagen inspirieren zu lassen und sich darüber auszutauschen.

In diesem Jahr habe ich jede Menge Veranstaltungen besucht, woran ich unter anderem auch aktiv teilgenommen und sie teilweise mitgestaltet habe. Ich fand Lysanias Veranstaltung interessant, sie war etwas Anderes, etwas Stilles. Diese Stille gehört dazu, seinem Gegenüber aufmerksamer zu begegnen. Leider ist es oftmals in unserer Gesellschaft so, dass wir keine Zeit haben, uns mit dem Hintergrund von anderen Menschen auseinanderzusetzen und sie auch anzuhören, falls sie darüber sprechen. Aber jede Geschichte ist wichtig und besonders. Sie trägt einen wichtigen Teil zum Großen und Ganzen bei. Dies würde eventuell auch zu mehr Verständnis für die „Flüchtlingsdebatte“ führen und somit auch zu mehr Empathie und Verständnis auf allen Seiten.

Noomi

Der „kleine Unterschied“

Im Zusammenleben von Angehörigen verschiedener Kulturen/Religionen/Ideologien können schon besagte kleine Unterschiede gewaltige Auswirkungen zeitigen, das ist wohl wahr. Mit der Hautfarbe wird man zwar geboren, wir haben jedoch alle dasselbe rote Blut in uns, unser gemeinsames Erscheinungsbild ist humanoid, und wir können uns untereinander fortpflanzen – beste Voraussetzungen also, um diesen Planeten miteinander zu teilen und zu bevölkern. Eigentlich. Aber es kann ja aber der Ruhigste nicht in Frieden leben, wenn es dem bösen Nachbarn nicht gefällt. Dessen Persönlichkeit mag zwar durchaus einmal von diversen Traumata sowie eigenen Erfahrungen und Erlebnissen zum Negativen hin beeinflusst worden sein, wodurch sein Charakter und sein moralischer Kompass Schaden genommen haben. Dies wäre alles noch verständlich, solange es sich im gesellschaftlich akzeptablen Rahmen bewegt und niemand anderes ernsthaft zu Schaden kommt. Schließlich sind wir alle nur Menschen. Gut gemeint ist jedoch nicht immer gut gemacht… Doch die verheerenden Auswirkungen von Indoktrination und Propaganda sind meiner Ansicht nach nicht die alleinigen Ursachen für die Exzesse im menschlichen Miteinander. Uns fehlt es auch an Visionen, an langfristigen Strategien für die Existenz späterer Generationen der menschlichen Rasse. Niemand würde sich nämlich heutzutage ernsthaft einer Aufgabe widmen, deren Ausführung Jahrzehnte, vielleicht sogar Jahrhunderte in Anspruch nähme und von deren Auswirkungen niemand mehr von den heute Lebenden profitieren könnte. Ironischerweise gab es in der TV-Episode „Platos Stepchildren“ der US-Science Fiction-Serie „Raumschiff Enterprise“ (heute besser unter Star Trek bekannt) den „ersten Filmkuss zwischen einer schwarzen Frau (Nichelle Nichols) und einem weißen Mann (William Shatner)“. Deren Schöpfer Gene Roddenberry nahm den Eine Welt-Gedanken schon in den sechziger Jahren vorweg. Roddenberry war sich der Problematiken durchaus bewusst. Doch dieses „interrassische Intermezzo“ war damals ein Skandal sondergleichen. Der institutionalisierte Rassismus und speziell der Fanatismus des Ku Klux Klan wandten sich massiv gegen diese angebliche schwarz-weiße „Rassenschande“. Die Tatsache, das die nichtmenschliche Antagonisten-Alienrasse der feindlichen Klingonen wenig subtil auf „die bösen Russen“ (ändern sich die Zeiten eigentlich überhaupt jemals?) gemünzt war, war dabei eher von untergeordneter Bedeutung und ging fast unter. Für mich auch, denn um sowas hab ich mich zu den Zeiten noch nicht gekümmert. Die Ironie am Rande, Teil 1: Noch heute diskutieren die Fans ja darüber, ob besagter Kuss zwischen „Captain Kirk“ und seiner „Kommunikationsoffizierin Leutnant Uhura“ tatsächlich stattgefunden hat oder doch nur angedeutet wurde. Für die heftigen Reaktionen darauf und die langfristigen Folgen jedenfalls war diese Frage unerheblich. Das „der kleine Unterschied“ immer noch das Potential hat, für Unruhe und Schlagzeilen zu sorgen… Da kann man schon ins Grübeln geraten und sich fragen, ob die Menschheit als solche überhaupt schon reif ist. Die Entwicklung der verschiedenen Kulturen auf dem Globus zu dem, was man globale Einheit und geeinte Menschheit nennen könnte, braucht eben leider auch ihre Zeit. In der SF gibt es dafür die Bezeichnung „Terraner“. Damit ist ein globales (bzw. interplanetares & -stellares) Volk gemeint, das seinen Ursprung auf den dritten Planeten der Sonne Sol (Terra, lateinisch für Erde) zurückführt. Diese Art von Globalisierung fällt nicht vom Himmel. Von oben herab anordnen läßt sich sowas auch nicht – es sei denn, man bestraft Abweichler von der reinen ideologisch oder religiös politisch-korrekten Lehre, indem man sie aus der menschlichen Gemeinschaft ausstößt und zu Parias erklärt. Die Farbe unserer Haut ist zwar das, was wir am wenigsten (nämlich gar nicht) ändern können, doch gleichzeitig ist sie auch der allerunwichtigste Unterschied zwischen uns allen. Ironie am Rande, Teil 2: Kleinen Kindern ist das noch alles schnurzegal, die interessieren sich weder für Hautfarbe noch für Ideologie oder Religion. Niemand wird als Rassist geboren (auch kein Weißer), man wird dazu gemacht. Ironie am Rande, Teil 3: „Weiße“ legen sich in die Sonne oder auf die Sonnenbank, um „knackig braun“ zu werden, gleichzeitig werden aber Leute, die von Natur aus keinen hellen Teint haben, diskriminiert. Willkommen in der wunderbaren Welt der Logik!

P. S.: In einer der neuen Star Trek-Serien nennen die (blauhäutigen) außerirdischen Andorianer die Menschen übrigens „Pink skins“…

Dietmar Doering

Rasse bestimmt Klasse

Ich erfahre Diskriminierung aufgrund meiner Hautfarbe. Meine Freundin nicht, weil sie weiß ist. Ist also Schwarzsein durch die Hautfarbe bestimmt?
Schwarz sein bezieht sich nicht primär auf die Hautfarbe, sondern auch auf die Familiengeschichte, Herkunft, Kultur, soziale Kategorie. Die „Rasse“ ist allgemein ein soziales Konstrukt, um bestimmte Bevölkerungen zu stigmatisieren oder auszugrenzen und sich selbst möglichst als Mitglied einer „höherstehenden, besseren Rasse“ darzustellen. Ideologisierter, gefühlsbeladener Mumpitz – der aber reale Konsequenzen hat, wie zum Beispiel, das die Ausbeutung des afrikanischen Kontinentes durch Europa legitimiert werden soll (Niger, Nigeria, Kongo, Mali oder auch Asien =Sri Lanka…). Wahlweise auch die Versklavung der „primitiven Rassen“ ,wobei hier natürlich die „weiße“ Rasse ganz selbstverständlich als gottgegeben überlegen hingestellt wird).
Nur fällt auch auf, dass das Gefühl von Grenzen in Jedem von uns steckt. Es ist völlig unabhängig davon, wo wir uns selbst zuordnen bzw. womit wir uns selbst identifizieren. An der Stelle denke ich an Rachel Dolezal, die hellhäutig ist, sich aber als Schwarzamerikanerin sieht. Dies wird von vielen Menschen nicht verstanden. Oft habe ich auch die Erfahrung machen müssen, das hellere Schwarze oft bevorzugt werden. Seitens der Schwarzen selbst und der Weißen. Die Hautnuancen spielen unter Schwarzen selbst immer noch eine große Rolle. Ich habe von Dunkelhäutigen auch schon Kommentare gehört ,auch von Weißen wie „Ich mag Braun, aber Du bist schon zu braun.“ Oder: „Mischlinge sind schon schöner.“ Männer/Frauen, deren einer Elternteil hellhäutig ist, nennt man volkstümlich so, obwohl – politisch korrekt ist diese Bezeichnung nicht mehr. Colorism ist immer noch weitläufig noch nicht so bekannt oder wird nicht als großes Problem gesehen. Vor kurzem habe ich einen Artikel im Focus gelesen, in dem es hieß, das die SPD-Abgeordnete Giorgina Kazungu mit kenianischen Wurzeln von einem Zugbegleiter in der Bahn der ersten Klasse verwiesen worden ist, obwohl sie ein passendes Ticket dafür besaß. Seitens der Bahn gab es dafür eine öffentliche Entschuldigung und eine Beschwichtigung, das es sich um ein Missverständnis gehandelt habe. Man sollte sich des Privilegs bewusst sein, dass man als weiße oder „mulattische“ Person hat.

Noomi

 

 

Der Schlüssel: Deutschland ist keine homogene Gesellschaft

Am 26.05.18 fand im Rahmen des Musikfestival „Sounds of Africa“ in der Philharmonie Essen die Abschlusskonferenz des dreijährigen Projektes „Dialog mit Afrika“ statt. Das Motto der Konferenz war: „Aufnahmegesellschaft und afrikanische Länder im Dialog. Vielfalt leben – respektieren und kooperieren.“ Oberbürgermeister Thomas Kufen hielt eine Begrüßungsrede. Hierbei wurden evaluiert, ob folgende Ziele umgesetzt werden konnten:

  • Die Förderung der Vernetzung afrikanischer Migrantenorganisationen mit dem Jugendamt
  • Die Stärkung afrikanischer Migrantenorganisationen in ihrer Arbeit
  • Der Ausbau der Vernetzung der afrikanischen Migrantenorganisationen untereinander.

Bunmi Bolaji als interkultureller Promoter des Eine-Welt-Netzes NRW hielt ebenfalls einen Vortrag zu diesem Thema. Auch sein Fazit war: Es ist wichtig, in Deutschland in vielfältiger Art und Weise zu leben, einander zu respektieren und sich gegenseitig zu tolerieren. Jeder hat seine eigene Vorstellung davon, wie er oder sie sich in der gegenwärtigen Gesellschaft positionieren möchte. Andere sich davon unterscheidende Sicht- und Lebensweisen sollten jedoch nicht unreflektiert als Gefahr angesehen, sondern eher als Herausforderung und Chance genutzt werden.

In der Podiumdiskussion, an der ich (Noomi) teilnahm, setzte man sich mit den damit zusammenhängenden Fragen auseinander. Eine davon war: Woran liegt es, dass die Begriffe Viefalt und Integration in Deutschland immer mehr an Bedeutung gewinnen? Alles begann in den Augen der Öffentlichkeit im September 2015 mit der „Flüchtlingswelle“ und der immer weiter steigenden unkontrollierten Zuwanderung, auf die Deutschland selbst nach aktuellen Äusserungen führender Politiker in keinster Weise vorbereitet war. Dadurch war die Gefahr gross, dass es zwischen den Neuankömmlingen und den Mitgliedern der bestehenden Aufnahmegesellschaft (auch denen, die selbst einen Migrationshintergrund haben) aufgrund bestehender Vorurteile, Missverständnissen und Ängsten, die aus den daraus resultierenden Spannungen und Konflikten kommen konnte. Man möchte sich dem herrschenden Idealbild der hier lebenden Gesellschaft anpassen (welches stark durch die Medien der westlichen Konsumwelt vorgegeben wird, wie z. B blonde Haare, schlanker Körperbau und helle („weisse“) Haut). Für Jemanden, dessen Vorfahren selbst aus dem Ausland stammen, kann dies jedoch in letzter Konsequenz zu extremen Problemen mit dem eigenen Selbstwertgefühl führen, ganz besonders auch im jugendlichen Alter. Anspruch und Wirklichkeit klaffen somit oft unüberbrückbar auseinander, anders als beispielsweise bei der persönlichen Lebensführung wie dem Verhalten anderen Menschen gegenüber oder dem Umgang mit neuen, ungewohnten Situationen kann man gewisse Dinge einfach nicht verändern (siehe Hautfarbe). Das heisst, falls man es aus irgendwelchen Gründen nicht schafft, sich der neuen Umgebung anzupassen oder gewisse Dinge „einfach“ hinzunehmen, können schwere psychische Schäden wie Traumata, Angststörungen, Drogenmissbrauch bis hin zur totalen Resignation auftreten – falls man nicht sogar ganz daran zerbricht. Bestehender Rassismus in der Aufnahmegesellschaft täte ein Übriges. Auf der anderen Seite würde aktiver Widerstand gegen Rassismus und Intoleranz nicht nur zu weiterer Ausgrenzung, Kriminalisierung und Gefahr für Leib und Leben führen, falls man über keine vertrauens- und verständnisvolle Basis von Unterstützungsmechanismen verfügt. Nein, man gerät dadurch erst recht in Gefahr, sich zum gesellschaftlichen Aussenseiter zu machen, da man ja nun nicht nur sowieso Jemand, „der hier nicht hinpasst“ ist, sondern sogar als „gefährlich“ oder als „Feind“ angesehen würde – was wiederum bestehende Vorurteile bestärkt.

Die Erkenntnis aus der Veranstaltung und der Podiumsdiskussion sieht also so aus: Der gegenseitige Austausch und die Offenheit gegenüber Neuem ist für Deutschland wichtig und eine Bereicherung. Deutschland ist keine homogene Gesellschaft und war es in der Vergangenheit auch nie. Kulturelle Vielfalt und natürliche Unterschiede zwischen allen Menschen sollten akzeptiert werden (können), denn dies ermöglicht den Abbau vieler auch künstlich erschaffener Hürden, was wiederum zu einem grösseren Verständnis zwischen allen Menschen führt und somit zu mehr Harmonie und (hoffentlich) zu mehr Frieden hierzulande und in der Welt.

Noomi

Menschen schwarzer Hautfarbe in Deutschland

16.03.18 wurde das Skatchteam zur Veranstaltung des Vereines Japoo e.V. und vom Eine Welt-Netzwerk NRW in das Bambo-Kino in Düsseldorf eingeladen. Auch Serge Palasie war dort, Thema der Veranstaltung war „Rassismus in Deutschland“. Eröffnet wurde sie mit der Aufführung des   Dokumentationsfilmes „Afro. Deutschland“ der Journalistin und Moderatorin Jana Pareigis, welche   ihre Rassismuserfahrungen sowie die anderer dunkelhäutiger Personen in Deutschland vorstellte. Im Rahmen dessen fand ein Diskurs statt, der von der Tina Adomako moderiert wurde, ausserdem ein  Vortrag von Serge Palasie, worin dieser den Zuschauern einen kurzen Einblick in die Geschichte gab. Es wurde dadurch verdeutlicht, dass es keinen Menschen mehr gibt, der sich über nur über eine Ethnie definieren lässt. „Den“ Biodeutschen gibt es also gar nicht mehr, so das Resümee von Palasies Vortrag. Auch wurden die Frage erörtert: „Welche Rolle spielt die Pigmentierung eines Menschen in Deutschland?“ Dunkelhäutige Menschen in Deutschland gibt es bereits seit 400 Jahren. Ist also die Bezeichnung „Mensch mit Migrationhintergrund Afrika“ noch korrekt, wenn man selbst schon in Deutschland geboren ist?

Skatchteam mit Theodor Wonja  Michael

Einer der Protagonisten in der Dokumentation, Theodor Wonja Michael, war anwesend. Der mittlweile 93jährige Buchautor erzählte uns über sein Leben  in Deutschland und das er viel Diskriminierung ausgesetzt war . Auch wurde er in seinem Ausweis als „Neger“ bezeichnet. Dies führte dazu, dass er lange Zeit  den Kontakt mit Weißen mied, um nicht in Schwierigkeiten zu geraten. Den Leuten im Publikum, die keine dunkle Hautfarbe hatten, haben die persönliche Geschichte von Wonje und die Darstellungen im Film ein Bewusstsein dafür vermittelt, das der Rassismus trotz Aufklärung und der überstandenen Hitlerzeit in Deutschland noch immer sehr präsent ist. Einige hatte Tränen in den Augen. Eine junge Frau fragte Herrn Michael aus dem Publikum heraus, was sie als weiße Person tun könne, um dem Rassismus entgegen zu wirken. Michael antwortete darauf: „Lach den Rassismus weg, Pigmentierung ist nur eine Sache des Melanins, es spielt keine Rolle“. Die Antwort entsetzte mich, man kann doch nicht über so ein ernstes Thema lachen, sondern man muss den Menschen den Spiegel vors Gesicht halten. Ich dachte mir insgeheim: „Sag deinen Leuten doch, sie sollten mit dem Rassismus aufhören!“. Aber diesen Gedanken behielt ich für mich. Tage nach der Veranstaltung bereute ich es, diesen Gedanken nicht laut ausgesprochen zu haben.

Austausch nach der Filmaufführung

Ich bin mittlerweile der Meinung, dass es mehr Veranstaltungen dieser Art geben sollte .Der Raum dafür steht zur Verfügung, also sollte er auch für den Austausch miteinander genutzt werden. Denn die Menschen, die an so etwas teilnehmen, sind meistens offen genug dafür, sich mit Rassismus auseinander zu setzen, auch wenn sie selbst persönlich nicht wirklich davon betroffen sind.

Noomi

Eine Buchbesprechung

Lagune“ von Nnedi Okorafor

„Lagune“, der erste Band einer Triologie der in den USA geborenen Autorin Okorafor, wartet mit mehreren Besonderheiten auf, die selbst mich als fast lebenslangen Science Fiction-Fan noch überraschen konnten. Okay, Invasionsgeschichten gibt es wie den sprichwörtlichen Sand am Meer, und an Gruppen teils unfreiwilliger Helden, an denen sich das Schicksal der Welt entscheidet, herrscht in der SF und Fantasy nun auch wahrlich kein Mangel.

„Lagune“ ist das Werk einer in den USA lebenden Tochter zweier Einwanderer aus dem westafrikanischen Nigeria. Wer jetzt aber glaubt, wie in rund 99,9 % aller Invasionsstories entscheiden sich die Außerirdischen deshalb dafür, entweder in den USA zu landen oder diese gleich „plattzumachen“, der irrt. Nein, das Schiff mit den Fremden geht im Meer vor der nigerianischen Megacity Lagos in Afrika zu Boden, bzw. zu Wasser. Da sind die doch glatt an der Kreuzung, an der das Schild mit der Aufschrift „Hier geht’s nach Washington, der Hauptstadt des Planeten Erde“ steht, falsch abgebogen… Die SF-Romane (und –Filme), in denen die Vereinigten Staaten von Amerika nicht explizit die Hauptrolle spielen, kann ich praktisch an einer Hand abzählen, mir fallen da nur ganz wenige ein: „Die drei Sonnen“ von Cixin Liu aus China, „Sin noticias de Gurb“ des Spaniers Eduardo Mendoza, dann eben „Lagune“ und der Film „The Time Guardian“ aus Australien.

 

Doch zurück zu Nnedi Okorafors Roman. Er beginnt nicht, wie man annehmen könnte, gleich mit der Einführung der Hauptcharaktere, sondern mit den Gedanken und Gefühlen, welche durch die Landung der Außerirdischen im Meer vor Lagos ausgelöst werden – im Kopf eines Schwertfisches… Wow, mal weder eine globale Versklavung noch eine planetare Zerstörungsorgie, das ist echt mal was anderes…! Die erste Person, die mit den Einheimischen Kontakt aufnimmt, ist die Vorauskundschafterin Ayodele, ein Wesen, das als Katalysator für eine Reihe von Veränderungen steht, die sich innerhalb der Umwelt und der Bevölkerung von Lagos ereignen. Auch das hat mich positiv überrascht. Der plötzlich vernunftbegabte Schwertfisch (der übrigens nun in gereinigtem, nicht mehr durch Öl und Müll verschmutztem Wasser lebt) ist nur eines von vielen, von sehr vielen veränderten Tieren. Auch eine riesige Spinne gehört dazu, obwohl ich aus einigen ihrer Äußerungen zu entnehmen glaube, das diese schon lange, jahrhundertelang unter Lagos lebt. Vielleicht ist sie eine uralte Gottheit, vielleicht auch eine vor langer Zeit bereits mit den Außerirdischen in Kontakt gekommene Wesenheit, ich kann das nicht sagen. Als Gag am Rande endet dann noch ausgerechnet eine durch den Einfluß der Aliens „erleuchtete“ Fledermaus mitten in ihren tiefschürfenden philosophischen Gedanken an der Frontscheibe des Flugzeuges des heimkehrenden nigerianischen Präsidenten – wie schade. Wenigstens konnten die Fremden dem totgeweihten Mann durch ihre überlegene Technik auch wieder zu einem neuen, gesunden Leben verhelfen.

 

Die schreckliche Umweltverschmutzung, vor allem durch die Ölförderung und den Müll der Milionenmetropole verursacht, wird bereinigt. Krankheiten, Verletzungen, verborgene Fähigkeiten der Lagosianer, all dies verändert sich (meistens) zum Positiven hin – womit allerdings keiner der Besucher gerechnet hat, ist die wahnwitzige Dummheit zum Beispiel der (hier: christlichen) Prediger und ihrer „Follower“. Der ansonsten gut geschilderte Glaube an Hexerei, Geister und lokale Götter wird in „Lagune“ ebenfalls so grotesk übertrieben, das man als Außenstehender wenig mehr tun kann als den Kopf darüber zu schütteln, wie viel Blödsinn die menschliche Rasse anstellen kann. Was das angeht, so müßte draußen an den Grenzen unseres Sonnensystemes eigentlich ein Warnschild vor uns zweibeinigen Irren angebracht werden. Panik und (Atom-)Kriegsvorbereitungen anläßlich von Ufo-Landungen gehören anscheinend ebenfalls zur menschlichen Genetik, das haben wir schon durch die angloamerikanische Science Fiction gelernt.

 

Nnedi Okorafor gelingt es derart perfekt, das Lokalkolorit und die Atmosphäre von Lagos zu schildern, das ich mich als Leser beinahe so fühlte, als sei ich selbst dort (ich war aber noch nie dort). Auch die diversen Animositäten, welche sich zwischen den verschiedenen Volks- und Sprachgruppen Nigerias abspielen, sind (in meinen Augen) perfekt getroffen, ohne die eine oder andere davon irgendwie über den Tisch zu ziehen. Es entsteht ein Bild einer quirligen, von Kraft und Selbstbewußtsein strotzenden Stadt voller offener und ehrlicher Menschen, die einfach ihr Leben leben. Offen und ehrlich, ja, wenn man mal etwa von dem christlichen Pfarrer absieht, gegen dessen fanatisches Auftreten selbst die religiösen Hetzer von Boko Haram wie die reinsten Kindergartenbetreuer wirken… Doch sei dies nur am Rande erwähnt, da er am Ende ja seine gerechte Belohnung durch die „himmlischen Besucher“ erhält… Gegen diesen Mann Gottes (eher des Geldes) sind selbst korrupte nigerianische Offiziere äußerst vertrauenswürdig und menschenfreundlich.

Wie gesagt, Okorafor spart nicht mit Seitenhieben auf die Fehlentwicklungen innerhalb der nigerianischen Gesellschaft. Alles wird gut, könnte man denken, bis Ayodele, die Botschafterin der Fremden von den Sternen, mißhandelt und erschossen wird. Da heißt, ein Wesen wie sie, das aus miniaturisierten Metallkügelchen besteht (eventuell mitsamt ihres Volkes eine künstliche Intelligenz?) und seine Gestalt wechseln kann, kann man eigentlich nicht töten. Allerdings kann man auch die gutwilligsten der außerirdischen Besucher dazu bringen, einmal die unmenschlichen Nerven zu verlieren und richtig auszuteilen. Die Besatzungsmitglieder von Ayodeles Raumschiff reagieren, genauso wie dann die Afrikaner widerum darauf reagieren, doch Wut und Kampf sind der ungewöhnlichen Situation geschuldet und nicht Teil eines Eroberungsfeldzuges oder Ähnlichem. Alles renkt sich auch wieder ein, wie man so schön sagt.

 

Ob im Guten wie im Schlechten, das Hauptziel der Sternenwesen war es, Veränderungen zu bewirken, und das haben sie geschafft. Nigeria wird nie wieder dasselbe Land wie vor ihrer Ankunft sein, und Außerirdische, die der Menschheit wirklich auf eine neue, positive Seinsebene auf einem gesundeten Planeten verhelfen wollen, anstatt den Globus zu sterilisieren und selbst zu kolonisieren, die muß man in Zeiten von „Independence Day“ und Ähnlichem wirklich mit der Lupe suchen. Schlußendlich stellt sich heraus, das auch vieles von dem, was unsere drei Helden (eine Wissenschaftlerin, ein berühmter Rapper und ein schwer traumatisierter Soldat) erleben, nicht unbedingt zufällig geschieht.

Fazit: „Lagune“ war eine sehr positive Erfahrung für mich, und ich habe wahrlich schon sehr viel SF gelesen, ganz abgesehen davon, das ich selbst schreibe. Außerdem war es mal sehr erfrischend, daß das Wohl und Wehe der Erde einmal nicht von den USA abhängt und das sich außerirdische Besucher auch so gar nicht für die Vereinigten Staaten interessieren.

 

Ein Wermutstropfen, der sich jedenfalls für mich persönlich als ziemlich verwirrend erwies, waren die äußerst kurzgefaßten Kapitel (in der Regel lediglich eine bis zwei Romanseiten), die den Lesefluß sehr stark gestört haben. Immer wieder wechselten die Perspektive und/oder der Handlungsort, und das in so kurzen Abständen, das ich kaum in der Lage war, den verschiedenen Handlungssträngen zu folgen und mich dort richtig „einzuleben“. Letztlich hat es aber geklappt. Vielleicht ist diese Einteilung ein spezielles Merkmal von Okorafors Arbeitsweise, möglicherweise liegt dieses Problem aber auch auf Seiten des deutschen Verlages. Ich fühlte mich jedenfalls nicht selten außerstande, die Handlung nachzuvollziehen, dazu bin ich wohl nicht flexibel genug, stöhn.

 

Wie dem auch sei, „Lagune“ verbindet die afrikanische (hier speziell die nigerianische) Lebenswirklichkeit mit all ihren Stärken und Schwächen mit einem Realismus, der sich mehr auf das Miteinander der Lebewesen bezieht als auf die Darstellung der militärischen Macht von Menschen oder Außerirdischen. Der Ausblick auf die Zukunft ist grundsätzlich positiv. Und da sich am Ende alle Schwierigkeiten erledigen und zum Guten hin wenden, bin ich versucht, der Prämisse von Ayodeles Volk zu folgen: Veränderung mag manchmal unangenehm oder störend sein, gefährlich auch, doch oft auch notwendig. Stillstand mag beruhigend sein, aber Wachstum kann nur durch Veränderung stattfinden. Ich hoffe, wir Menschen benötigen dazu nicht tatsächlich erst den Anstoß durch Besucher von den Sternen.

 

Dietmar Doering

 

Titel: Lagune

Autorin: Nnedi Okorafor

Übersetzerin: Claudia Kern, Coverzeichner: Greg Ruth

Verlag: CrossCult, 2016

ISBN: 978-3-86425-873-2

Mit Glossar, Taschenbuch

410 Seiten

„Geh nach Hause!“

An einem Nachmittag war ich auf dem Weg zu einer guten Freundin und nahm den Aufzug zur U-Bahn-Haltestelle. Ich stieg mit zwei älteren Menschen ein. Als die Fahrstuhltür  sich schloss, wandte sich die ältere Dame zu mir und sagte: „Geh nach Hause.“ Ich antworte: „Ich komme von zu Hause.“ Sie erwiderte: „Was hast du schon zum Aufbau vom jetzigen Deutschland beitragen? Ich gehörte damals zu den Trümmerfrauen, und wir haben Deutschland wiederaufgebaut.“ Ich entgegnete darauf nichts. Der ältere Mann, der neben ihr stand, verfolgte das Gespräch schweigend. Dann öffnete sich die Fahrstuhltür, und wir stiegen alle Drei aus.

Tage vergingen, das Ereignis im Fahrstuhl hatte ich aber nicht vergessen. Ich sprach mit Freunden und Bekannten darüber, auch sie machten in letzter Zeit ähnliche Erfahrungen: Mit Rassismus. An dem Punkt stellte sich mir die Frage, wie ich in direkten Konfrontationen bezüglich meiner Hautfarbe umgehe. Dazu kam mir das Seminar „Argumentationstraining gegen Stammtischparolen“ mit Manuela Ritz gerade recht. Letztendlich habe ich folgendes aus dem Seminar mitgenommen: Bei Menschen, die eine Antihaltung gegenüber Personen, die nicht „deutsch aussehen“, haben kann ich nicht wirklich etwas gegen deren Weltanschauung tun, wenn sie nicht selbst dazu bereit sind, ihren Blickwinkel ändern zu wollen. Doch die, die sich auf einen konstruktiven Austausch einlassen, mit denen werde ich gern in einen Dialog treten, ungeachtet aller Differenzen. Wieso dies? Nun, kaum ein Land verfügt heutzutage noch über eine wirklich homogene, ethnisch in sich abgeschlossene Bevölkerung, da im Laufe der langen Menschheitsgeschichte bereits permanente Wanderungsbewegungen stattfanden, sei es wegen Kriegen, Verfolgung, Naturkatastrophen, wegen der Suche nach Arbeit oder der Hoffnung auf ein besseres Leben. Nicht zu vergessen sind auch  persönliche Bindungen, die aufgrund von Liebesbeziehungen entstanden. Manch eine Kultur, weist  zugegebenermaßen noch wenig Zuwanderung auf, die Gründe mögen vielfältig und auch in naturgegebenen Umständen zu suchen sein (etwa bei in abgelegenen, vielleicht auch in kulturellen und religiösen Voreingenommenheit bzw. Segregation (Japan scheint unter anderem wegen seiner Insellage zu dieser Kategorie zu gehören). Doch Länder wie beispielsweise die USA würden ohne Ausländer heutzutage überhaupt nicht existieren, da dort vorher ausschließlich indigene Indianervölker lebten. Die wichtigste Erkenntnis der sich ein Jeder von uns stellen muss, lautet: Sobald man – aus welchen Gründen auch immer – auch nur einen Fuß über eine Staatsgrenze setzt (Urlaub!), wird dann selbst zum Ausländer.

Noomi

非洲 – Fēizhōu (Afrika auf Chinesisch) Kolumne: Wir ernten, was wir säen

Meine Chefin pflegt das immer zu sagen. Man muß nicht den gleichlautenden Buchtitel (der den Nahen Osten zum Thema hat) lesen, um zu verstehen, was damit gemeint ist. Ich bin zeitlebens Science Fiction-Fan. Wieso ist das wichtig? Weil eine der Grundprämissen der Science Fiction neben der Existenz von „Aliens da draußen“ die ist, das es den Bewohnern der Erde gelingt, sich irgendwann auch als solche zu sehen und eine globale Gesellschaft zu erschaffen. Klar, sogar in der lange als Literatur für Spinner und Realitätsflüchtlinge denunzierten SF fällt diese nicht so einfach vom Himmel. Die Gründung der planetaren Gemeinschaft geht auch da meistens mit Widerständen, Angst und harten Veränderungen einher, die sich jedoch meistens über einen sehr, sehr, sehr langen Zeitraum hinziehen. Der eiserne Griff der heutigen globalistischen Indoktrination und Propaganda erfüllt mich als „Erdenmenschen“ daher mit Schrecken. Warum? Weil es diffuse Kräfte zu geben scheint, denen diese Vorgänge anscheinend zu lange dauern oder die sie nicht mit genügend Nachdruck durchgesetzt sehen. Man will nicht warten, bis die Völker der Welt auf natürliche Weise ineinander aufgehen und auf Grundlage der jeweils besten Bestandteile ihrer jeweiligen Kulturen in einer neuen, einer globalen Einheit miteinander verschmelzen (im Volk der „Terraner“, so wird es in der SF allgemein genannt). Als wenn es nicht schon genug Probleme gäbe, wurde meines Erachtens nach eine ursprünglich positive Zukunftsvision in eine strategisch angelegte, gnadenlose Ideologie umgeformt, die sich heutiger psychologischer und technischer Errungenschaften bedient, um eine neue Kolonialherrschaft aufzubauen – jetzt eben im globalen Maßstab. Man „säubert“ die Nationen derzeit (noch) quasi mental von renitenten Elementen, und die neuen Sklaven bekommen heutzutage eben unsichtbare Peitschenhiebe, wenn sie nicht gehorchen. Kolonialismus 2.0 sozusagen. Ein großer Unterschied zu damals ist, das man die lokalen Bevölkerungen nicht einfach nur militärisch besiegt und ausbeutet. Heutzutage schiebt man sie auf dem weltweiten Schachbrett in noch viel größerem Maßstab wie Figuren umher, als wie das in der offiziell als Sklaverei bekannten Zeitperiode der Fall war. Man macht sie durch Pervertierung gesellschaftlicher Normen orientierungslos, entwurzelt sie durch weltweite Umsiedlung und beutet die Rohstoffquellen dann inmitten von allgemeinem Chaos ohne organisierte Gegenwehr durch deren lästige Besitzer aus. Interessierte Leser mögen sich doch einmal den Film „Avatar“ anschauen, in dem der Rohstoffrausch auf eine von fremden Wesen bevölkerte ausserirdische Welt verlagert wird – das Schicksal der Afrikaner und Indianer läßt sich aber gut wiedererkennen….

Doch nun hat ein neuer Spieler das Spielfeld betreten: China mit seiner lebensraum- und rohstoffhungrigen Bevölkerung von allein fast zwei Milliarden Menschen. Naja, das Reich der Mitte hatte bereits in der Historie Kontakte zu afrikanischen Ländern: Der anfangs ignorierte und dann als Phantast diskreditierte britische Autor Gavin Menzies, an dessen Forschungsergebnissen heute niemand mehr vorbeikommt, stieß die ganze Diskussion mit seinem Buch 1421 – Als China die Welt entdeckte über den vor sechshundert Jahren lebenden chinesischen Admiral Zhang He und dessen Schatzflotten bereits im Jahr 2003 an. Die Chinesen haben grundsätzlich dasselbe Ziel wie die Megakonzerne (also mehr oder weniger eigentlich nur eine Wachablösung der Westmächte), doch sie bauen wenigstens noch nützliche Infrastruktur auf. Und sie nerven die afrikanischen Herrscher vor allem nicht mit permanenten heuchlerischen Demokratisierungsforderungen. In der menschlichen Geschichte endeten Invasionen meistens damit, dass die kolonisierten Völker ihre Eigenständigkeit, ihr Selbstbewußtsein und letztlich ihre Identität verloren. Wenn die Verlierer einfach irgendwann nur in den Imperien aufgingen und assimiliert wurden, konnte das noch als Glücksfall gewertet werden. Die Alternativen dazu reichten von der totalen Marginalisierung innerhalb des neuen Staatsverbandes bis hin zur vollständigen Ausrottung. Die Geschichte kennt neben dem Schicksal der afrikanischen Völker zahlreiche tragische Beispiele, das der Indianer in den Amerikas oder das der Tibeter etwa, die sich nur auf den ersten Blick voneinander unterscheiden: die US-Indianer wurden mit Gewalt bekämpft und praktisch ausgelöscht, die Tibeter sahen und sehen sich einer derart großen staatlich organisierten Zuwanderung von Han-Chinesen ausgesetzt, das deren Kultur und Sprache ihre eigene praktisch hinwegfegt. Hierin erkennen viele Europäer zu ihrer eigenen Lebenssituation inzwischen gewisse Parallelen. Ich finde das sehr bedauerlich, da ich den Chinesen und ihrer Kultur ebenfalls sehr viel Sympathie entgegenbringe und auch einmal zwei Jahre lang Mandarin-Chinesisch gelernt habe. Afrika ist im Grunde eher Opfer dieser zweiten Variante, die wenn man so will damals schon eine frühe Art eines afrikanischen Hooton-Planes darstellte. Den Afrikanern wurden die Bildungssysteme, Sprachen und Kulturen der Kolonialherren übergestülpt, sie selbst wurden zudem zu Bürgern x-ter Klasse der Kolonialmächte erklärt. Rein theoretisch sollten sie damit natürlich auch wenigstens dieselben Rechte der „echten“ Franzosen, Engländer, Deutschen und so weiter erhalten, doch die Realität ist eine andere, wie selbst der heutige Umgang der sogenannten „Mutterländer“ mit den ungeliebten „Kindern“ zeigt. Der Imperialismus der Neuzeit besitzt ausser überwältigender militärischer und technologischer Macht nämlich eine vielleicht viel stärkere und gefährlichere Waffe: Die Unterworfenen wollen die Kultur der Kolonialmächte im Zuge der sogenannten Globalisierung übernehmen, sie sind richtig heiß darauf! Das ist so praktisch wie perfide, denn die Gefahr des gewaltsamen, langwierigen und daher auch kostspieligen Widerstandes wird dadurch deutlich minimiert. Schon nach dem zweiten Weltkrieg waren die Europäer im Allgemeinen und die Deutschen im Besonderen begierig dabei, die amerikanische Kultur geradezu zu inhalieren. Spiele, Musik, Filme, Literatur, all dies sind nun Ausprägungen einer globalisierten US-Kultur, die zivilisatorische Unterschiede, welche noch nicht nivelliert werden konnten, inzwischen demonstrativ als Diversität feiert. Wenn man die Globalisierung auf dem afrikanischen Kontinent in derselben intensivierten Form durchdrücken würde, wie das derzeit in Europa geschieht, fehlte dabei aber der historische Hintergrund, der in Deutschland auch heutzutage noch so hinderlich bei der realistischen Integrationsarbeit ist. Ich präferiere ja einen Panafrikanismus, der nationale und religiöse Auswüchse, wie sie Europa derzeit erschüttern, vermeidet und überflüssig machen soll. Aber ich spreche den Afrikanern nicht das Menschsein ab, nur weil sie sich noch nicht gehorsam von heute auf morgen in die gesichts-, meinungs-, kultur- und geschlechtslosen Arbeitsdrohnen verwandelt haben, die den Globalisten anscheinend vorschweben. Ein Weltbürger zu sein, bedeutet nämlich was anderes! Wenn sich alle trotz ihrer Unterschiede dereinst als Bewohner des Kontinentes Afrika sehen und die diversen Probleme dann auch als sämtliche Afrikaner betreffend begreifen und lösen wollen, ist schon einmal viel gewonnen. Doch ich wage mir nicht vorzustellen, was geschehen würde, wenn man den Afrikanern noch einmal von außerhalb in Herrenmenschenmanier die Art von Globalisierung verordnen würde, unter der Europa und besonders Deutschland ächzen… Und zwar ganz abgesehen von den verheerenden Auswirkungen, die ohnehin bereits durch die willkürliche Grenzziehungen auf der berüchtigten Berlin-Konferenz verursacht wurden. Die Neuordnung der kontinentalen Gemeinschaft müßte sowieso durch die Afrikaner selbst geschehen, vermutlich eher angesichts der bestehenden ethnischen Bindungen. Einem Fulbe ein schlechtes Gewissen einzureden, weil er sich als Fulbe empfindet, oder Südsudanesen als nationalistisch zu brandmarken, weil sie auf ihre neue, eigene Nation stolz sind, ist im afrikanischen Kontext ziemlich bizarr, das hat wohl auch noch niemand ernsthaft probiert. Doch ob es sich die Afrikaner auf Dauer wohl ohne Konflikte gefallen lassen würden, wenn statt der chinesischen Arbeiter auch plötzlich Millionen chinesischer Siedler kämen, die aber Chinesen bleiben wollen, auf ihrer kulturellen Identität beharren und im Gegenzug die einheimischen Schwarzen und deren kulturelle Eigenheiten verachten? Vereinzelte Stimmen, die meinen, die Chinesen nähmen den Afrikanern angeblich die Frauen, die Arbeit und die Wohnungen weg, gibt es anscheinend durchaus schon – wieso also sind denn diese populistischen Aussagen in der deutschen Presse kein Thema? Weil die Afrikaner der deutschen Presse in Wirklichkeit am ***** vorbeigehen, solange man sich nicht publikumswirksam als gütiger weißer Helferengel der im übrigen florierenden Hilfsindustrie generieren kann. Und man sägt ja nicht den Ast ab, auf dem man selbst sitzt. Eben. 感谢你们的关注Gǎn xiè nǐ mén de guān zhù (Danke für Ihre Aufmerksamkeit)!

Dietmar Doering

Quo vadis, Demokratie?

„Schön, dass Politiker noch Visionen haben. Aber sie dürfen nicht den Eindruck erwecken, von allen guten Geistern verlassen zu sein.“ (Thomas Schmoll, n-tv.de). Die etablierten Parteien in Deutschland haben sich immer gern als Volksparteien sowie damit einhergehend als Volksvertreter bezeichnet. Da der Begriff des Volkes und der Heimat vor allem im deutschen Kontext inzwischen jedoch leider ausschliesslich im negativen Sinne völkisch und nationalistisch besetzt zu sein scheint (den Nationalsozialisten mit ihrem tödlichem Rassenhass und ihrer faschistischen Ausrottungspolitik sei Undank), kann auch jegliche ideologisch störende Ansicht einfach umgedeutet werden. Somit ist ja vielleicht sogar selbst eine von den Regierungsparteien vertretene Politik, die der Auffassung sehr vieler Mitglieder des Volkes entspricht bzw. die von ihnen zumindest stillschweigend geduldet wird, zweifelhaft. Es ist eben nicht immer so intelligent und integer, denen, die man bekämpft, mit denselben populistischen Parolen oder Mitteln die Wähler abjagen zu wollen…

Damit befindet sich die demokratische Spielart der Politik aber in einer klassischen Zwickmühle und hat sich quasi im eigenen Netz des Neusprech aus 1984 (Orwell) verfangen. Jeder sonst so harmlose Kritiker kann gemäss dieser Logik leicht den Eindruck eines mit der rechten Szene sympathisierenden Rassisten erwecken, sofern dies politisch opportun ist. Dieses automatische, diskursrenitente Allroundfeindbild schadet dem demokratischen Prozess jedoch sehr. Es offenbart Zustände, die wir zu Recht in anderen Ländern als demokratiefeindlich und diktatorisch ablehnen. Vollends bizarr wird es dann, wenn zunehmend sogar selbst Menschen mit Migrationshintergrund populistische Sprüche von sich geben (etwa gegen neue Flüchtlinge, Schwule, Juden, Frauen, Muslime oder Christen). Sind die dann etwa Rassisten? Rechte? Pegidaanhänger? Oder sind sie einfach nur verrückt? Oder noch schlimmer: Haben sie vielleicht den Nagel auf den Kopf getroffen? Es ist mir jedenfalls unverständlich, wie es deutschen Ausländerfeinden gelingen sollte, ausgerechnet migrantische Gehirne zu waschen, damit sie populistische Parolen von sich geben und sich quasi selbst abschaffen wollen (der parteilose deutschkongolesische Bundestagskandidat und Afd-Sympathisant Serge Menga aus Essen ist ein gutes Beispiel). Zumindest in Hinsicht auf das rechte Spektrum gibt es wenigstens nicht auch dort noch soviele traumatisierte, psychisch kranke Einzeltäter, die volltrunken oder sonstwie zugedröhnt mit Waffen durch die Gegend laufen. Wobei – immer mehr gemeingefährliche Irre auf den Straßen, tangiert das nicht èigentlich die Innere Sicherheit?

Die in der Türkei zu beobachtende Säuberung des Staates hingegen, durch die sämtliche unpassenden Elemente der Gesellschaft ausgemerzt werden, ist ein denkbar schlechtes Beispiel dafür, wie man mit Opposition umgehen sollte. Es sollte uns wirklich abschrecken. Doch auch deren Herrscher ist ein Meister des Populismus. Erdogan hatte die Türkeistämmigen in Deutschland („seine Bürger“) jüngst aufgefordert, ihre Stimmen nicht an SPD, Grüne oder Union zu geben, denn diese Parteien seien „Feinde der Türkei“, und Deutschland sei ohnehin „Nazideutschland“, mit entsprechenden Verunglimpfungen von Kanzlerin Merkel in türkischen Medien („Frau Hitler“ etwa in der Güne ).

Wollen wir solche Verfolgung wie nach dem Putschversuch hierzulande tatsächlich ebenfalls, um endlich die eigenen Querulanten endgültig in ihre Schranken zu verweisen? Hatten wir doch alles schon mal, unter Hitler und unter Honecker. Tja, Appeasement klappte schon beim „Führer“ nicht. Unsere eigene Vergangenheit als Nation hat deutlich gemacht, wohin das auf Schleichwegen führen kann. Wäre eine Wiederholung nach unseren geltenden politischen Maßstäben tatsächlich besser, weil sie diesmal durch „die Guten“, durch die „richtigen“ Leute gewollt oder durchgeführt würde? Und glaubt nebenbei gefragt etwa wirklich jemand, das man die Stimmen der echten rechten Szene gewaltlos zum Verstummen bringen könnte? Das ist ja lachhaft.

Man kann es aber auch so wie „Taff“-Moderator Thore Schölemann probieren: Der verabschiedete sich am Nachmittag des 12.9.17 in der Sendung von seinen Zuschauern mit dem Nachsatz: „Leute, geht wählen – nur nicht die AfD.“ Eine Äußerung, für die sich der ProSieben-StarModerator jetzt eine Rüge des Senders sowie eine Ermittlung durch die Medienaufsichtsbehörde einhandelte. Und auch Kanzleramtschef Peter Altmaier (CDU) hat unzufriedenen Bürgern geraten, lieber ganz auf eine Stimmabgabe bei der Bundestagswahl zu verzichten als AfD zu wählen. Das bewegt sich alles zwar noch im Rahmen der freien Meinungsäußerung, aber unter diesen Umständen ist es wohl eher Betreutes Denken – und ganz schlechter Stil von einem Politiker…

Heute tritt außerdem anscheinend sogar ausgerechnet innerhalb der Grünen Bewegung (interner Paradegegner: Tübingens OB Boris Palmer) oder bei Mitbürgern ausländischer Herkunft (z. B. Erdoganfans) selbst ein bedenkliches Verhalten zutage – wer anders denkt, wird zur Zielscheibe. Dabei lassen wir einmal ausser Acht, das auch die linke Politik in der Vergangenheit mit Begriffen, in denen es von der kontroversen Vokabel „Volk“ wimmelte, nur so um sich warf (Stichwort DDR). Heutzutage verbreitet auch der Schwarze Block der linken Antifa im Namen des Volkes ebenfalls Terror und Hassreden. Dies zeigt sich nicht nur alljährlich am 1. Mai, sondern auch gegenüber dem politischen Gegner. Zum G20-Gipfel in Hamburg war das nicht anders, das war absehbar. Das angebliche „faschistische Schweinesystem“ wird durch diese populistischen Aktionen also genauso offen verachtet und bekämpft wie von den Rechten oder durch die fanatischen Muslime.

Wer „Deutschland verrecke“ auf seine Fahnen schreibt (Antifa) beziehungsweise mit „Deutschland, Du mieses Stück Scheisse“-Rufern marschiert (Bundestagsvizepräsidentin Claudia Roth) oder sich allen Ernstes wünscht, die Deutschen mögen doch endlich aussterben, da sie sowieso alle Nazis sind (Gregor Gysi), der ist ein Verfechter der Demokratie? Ein lupenreiner Demokrat, echt jetzt? Nun ja, was soll man erwarten, wenn beispielsweise Sigmar Gabriel auf Ausschreitungen in Wort und Geste antwortet, das diese Leute „Pack seien und weggesperrt gehören“ sowie selbst den Mittelfinger in die Kameras hält? Auch ihm stände es frei, die Pöbler einfach anzuzeigen. Stattdessen pöbelt er zurück. Anzeigen müsste man auch die Leute, die bei Versammlungen selbstgebastelte Galgen trugen, an denen Schilder mit den Namen von Politikern hingen, dies mal nebenbei erwähnt – von „Volksgerichtshöfen“ sollten wir aber doch die Nase voll haben, oder? Doch auch Einspruch gegen Populismus von Links ist kaum empfehlenswert, denn dann gilt man schnell als – Populist.

Aber was ist denn das für ein Demokratieverständnis, welches wir unseren neuen Mitbürgern als Integrationsziel vorleben? Quo vadis also jetzt, Demokratie? Ach übrigens: Sachbeschädigungen und Hetze gegenüber dem politischen Gegner (Bedrohung, Verunglimpfung, Zerstörung von Wahlplakaten und Wahlbüros, Wahlmanipulation oder das Abfackeln von PKWs sowie, man glaubt es kaum, Aufforderungen an SPD-Bezirksvorsitzende Kerstin Hansen durch Parteikollegen, sich doch gefälligst scheiden zu lassen, weil der Ehepartner AFD-Mitglied ist) gibt es auch in der einzig wahren Musterdemokratie der Welt (…). Komisch, die Parole „Am deutschen Wesen soll die Welt genesen“ galt doch mal zu Recht als absolutes No Go – was ist denn aus dieser Ablehnung geworden…? Vergessen? Traurig.

Aber was ist populistische Politik denn nun tatsächlich? Diese gibt es natürlich auf der ganzen Welt, innerhalb aller Kulturen, Religionen, Nationen. Sie ist lediglich die verwirrende Essenz eines inflationär eingesetzten ideologischen Kampfbegriffes (im heutigen Sprachgebrauch ist damit fast ausschliesslich Rechtspopulismus gemeint). Populismus beschreibt nämlich lediglich die Fähigkeit von Personen oder Gruppen, dem Volk (Populus) Inhalte zu vermitteln, die es nachvollziehen kann und will (oder: Den Leuten zu sagen, was sie hören wollen, das konnten schon die alten Römer). Vox populi bedeutet an sich Volkes Stimme. Die Parole „Wir sind das Volk“ kann selbstverständlich auch von weniger wünschenswerter Seite missbraucht werden. Einst riefen die oppositionellen Leute in der ehemaligen DDR „Wir sind das Volk“, das waren die Guten, heute rufen es Rechte und besorgte Bürger, und morgen vielleicht sogar Muslime mit ihren Parteien BIG und ADD? Was dann? Sind die dann ebenfalls Populisten?

Doch heißt dies automatisch, das man auf das Volk nicht zu hören braucht? Auch mittels scheinbar einfacher Lösungen wird von allen Parteien des politischen Spektrums versucht, die Gunst der Bevölkerung zu gewinnen. Wer erinnert sich beispielsweise nicht an Norbert Blüms „Die Rente ist sicher“? Und war es nicht Herr Merz, der tönte, das die nächste Steuererklärung auf einen Bierdeckel passen würde? Oder was war mit Kanzlerin Merkels „Wir schaffen das“? Während der gesamten menschlichen Geschichte war dies so und hat unzählige Opfer gefordert, personelle wie ideelle. Freiheit meint aber immer auch die Freiheit des nicht extremistischen Andersdenkenden. Muss man das wirklich bedauern? Es geht auch um Freiheit von Unterdrückung, von Angst, vom Tod durch unzureichende Versorgung, um Schutz vor Verfolgung, aber eben auch um „von oben“ aufgezwungene Lebensbedingungen. Und auch um den Schutz vor korrupten selbsternannten Eliten.

Womit ich bei der Freiheit vor Instrumentalisierung zum Zwecke der Propaganda und Manipulation wäre. Das Zeitalter der Selbstbestimmung scheint beendet zu sein, der Mensch ist nun jederzeit und allerorten beeinflussbar. „Wer die Welt nicht mehr begreift, wird manipulierbar.“ (TVJournalist Jean Pütz). Andere Menschen und Gesellschaften leiden darunter. Wieso werden kriegerische Auseinandersetzungen eigentlich auch mit wirtschaftlichen Mitteln geführt, quasi unter Laurins Tarnmantel? Ist ein Heiliges Buch authentischer als das Andere? Wie kann es denn überhaupt sein, das wir seit zwanzig Jahren den gesamtgesellschaftlichen Kampf gegen Rechts führen und die Rassisten nicht nur immer noch da sind, sondern im Gegenteil immer mehr und politisch stärker werden? Das die Reaktionäre diesmal sogar in den Bundestag kamen, und das sogar zweistellig, ist nicht zufällig ein Merkmal des krachenden Versagens aller antirassistischen Kräfte? „Dem (rechten) Haß keine Chance!“ ist anscheinend leider nur eine hohle Phrase zu Selbstberuhigung, ohne tatsächlich greifbare Ergebnisse. Und an der bisherigen Politik der etablierten Parteien liegt es vielleicht nicht auch ein bisschen? Ewige Fragen…

Zum Schluß noch ein passendes Zitat von Jakob Augstein aus seiner neuen Kolumne vom 19.9.17 auf Spiegel Online: „Angela Merkel verdient die Abwahl. Sie trägt die Verantwortung dafür, dass Nazis in den Bundestag einziehen werden.“ Wissen ist Macht. Der Mensch sollte also zumindest in Grundzügen wissen, wovon er als Teilnehmer eines demokratischen Prozesses innerhalb einer offenen Gesellschaft spricht… Wenn die Regierungen auf den (angeblich) mündigen Bürger hören, ist alles gut. Falls nicht, siehe oben…

Und jetzt bitte alle demokratische Kräfte das politisch-korrekte Mantra wiederholen – und bitte, bitte nicht vergessen: Nur Weisse sind Rassisten, und nur Deutsche sind Nazis! Verstanden? Also, bitte verinnerlichen: Nur Weisse sind Rassisten, nur Deutsche sind Nazis! Nur Weisse sind Rassisten, nur Deutsche sind  Nazis! Nur Weisse sind Rassisten, nur Deutsche sind Nazis! Nur Weisse sind Rassisten, nur Deutsche sind Nazis! Nur Weisse sind Rassisten, nur Deutsche sind Nazis! Nur Weisse sind Rassisten, nur Deutsche sind Nazis……

Dietmar Doering